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Serbiens Ministerpräsident Aleksandar Vucic gilt als besonders umsichtig. Kritiker werfen ihm daher vor, mit dem vorgezogenen Wahltermin nichts anderes zu beabsichtigen, als seine Macht abzusichern.

Foto: Reuters / Marko Djurica

Er habe eine Entscheidung getroffen: Es werde vorgezogene Parlamentswahlen geben, sagte am Sonntag Serbiens Ministerpräsident Aleksandar Vucic vor dem Hauptausschuss seiner Serbischen Fortschrittspartei (SNS) und donnerte: "Auf zur Wahl, auf in den Sieg!"

Es folgte eine Eruption der Begeisterung, frenetischer, minutenlanger Applaus, Standing Ovations für den verherrlichten Parteiführer – als ob gerade dort, im Belgrader Theatersaal Madlenijanum, zu diesem Zeitpunkt Geschichte geschrieben würde; als ob Vucic eben seinen Parteigenossen den Kampf für die Machtergreifung und die Erlösung Serbiens angekündigt hätte.

Die Tatsache, dass die SNS schon jetzt die absolute Mehrheit im Parlament hat, dass ihr Mandat erst im Frühjahr 2018 ausläuft, dass Vucic in nur drei Jahren schon zum zweiten Mal vorgezogene Wahlen auslöst, minderte nicht die revolutionäre Stimmung, die die Parteispitze packte.

Vucic wartete lächelnd, bis sich der Jubel legte, hob ab und zu kämpferisch die Faust in die Luft und begründete dann seine Entscheidung: Die serbische Gesellschaft sei gespalten, innere Auseinandersetzungen würden Reformen blockieren. Er brauche deshalb ein volles, vierjähriges Mandat um notwendige – doch unpopuläre – Reformen durchzuziehen und die Beitrittsverhandlungen mit der Europäischen Union bis 2020 zu einem erfolgreichen Ende zu bringen.

"Erdrosselte Medien"

Während Vucic und seine Mitläufer vorgezogene Wahlen mit der Notwendigkeit für die Genesung von Wirtschaft und Gesellschaft argumentieren, sieht die Soziologin Vesna Pesic bloß das Kalkül "autoritärer Machthaber, die alle Medien erdrosselt und alle Institutionen zerstört haben", ihre Macht zu verlängern.

Auch für den Politikanalytiker Djordje Vukadinovic gibt es keine plausible Erklärung für vorgezogene Wahlen: Die SNS hat allein die absolute Mehrheit im Parlament, mit ihren Koalitionspartnern gar eine Zweidrittelmehrheit, die Regierung ist stabil, es gibt keine größeren Proteste oder Streiks, die die Regierung bedrohen könnten.

Vukadinovic meint, dass vorgezogene Parlamentswahlen ausgeschrieben würden, um sie mit Kommunalwahlen im Frühjahr zu verknüpfen und so der SNS vor allem in der autonomen Provinz Vojvodina unter die Arme zu greifen. Des Weiteren behauptet Vukadinovic, dass die SNS und Vucic auf dem Höhepunkt ihrer Popularität seien – diese könnte aber bis zu regulären Wahlen in zwei Jahren wegen schlechter Arbeitsergebnisse ernsthaft sinken. Man wolle den Urnengang hinter sich bringen, bevor sich Unmut in der Bevölkerung verbreite.

Die Wahlen werden voraussichtlich Ende April stattfinden. An einem haushohen Sieg der SNS zweifelt niemand: die Opposition liegt zersplittert und zerstritten auf dem Boden, es gibt kaum kritische Medien. Stimmen, die das Bild Serbiens, das sich unter der Führung Vucics langsam, aber stetig in eine Wohlstandsgesellschaft entwickelt, infrage stellen könnten, sind kaum zu hören. (Andrej Ivanji aus Belgrad, 18.1.2016)