In den nächsten Monaten ist Österreich im Wahlkampf. Da sich – bis auf den FPÖ-Kandidaten – alle erklärt haben, konzentriert sich das politische Geschehen völlig darauf. Es gibt keinen logischen Favoriten, sodass offen ist, wer es überhaupt in die Stichwahl schafft. In der Vielzahl an Kandidaten und dem derzeit offenen Ausgang liegt der Reiz dieser Wahl, nicht unbedingt in der Dynamik und Juvenilität der Kandidaten.
Vor allem dem ÖVP-Kandidaten Andreas Khol ist daran gelegen, dass nicht FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache persönlich in den Ring steigt. Denn das kostet Khol Wählerstimmen und alle Kandidaten Aufmerksamkeit. Die FPÖ lässt sich daher mit ihrer Kür noch Zeit. Das hält die Gerüchteküche am Köcheln und könnte die ÖVP zu Angeboten verleiten. Khol hat bereits erklärt, er würde eine FPÖ-geführte Regierung angeloben. Auch in Richtung Schwarz-Blau könnten sich weiter Optionen ergeben.
Jeder FPÖ-Kandidat, der nicht Strache heißt, vergrößert Khols Chancen, in die Stichwahl zu kommen. Dass auch Irmgard Griss und Alexander Van der Bellen um Stimmen im bürgerlichen Wählersegment buhlen, ist ein Vorteil für den Hofburg-Kandidaten der SPÖ, Rudolf Hundstorfer. Gerade spritzig war der Wahlkampfauftakt am Freitag nicht. Aber die Genossen und Gewerkschafter werden für ihn in diesem Wahlkampf schon laufen. Und Khol ist als Gegner kantiger, als es Erwin Pröll gewesen wäre. Das ist für den auf sozialpartnerschaftlichen Konsens getrimmten Hundstorfer die Chance, selbst an Profil zu gewinnen.
Die ÖVP will in diesem Wahlkampf den Ton angeben und setzt klar auf Angriff und das Thema Flüchtlinge, das dominieren wird. Die ÖVP hat bei ihrer Klausur mit ihrer Forderung nach Aufnahmestopp und Obergrenzen eine Änderung ihres Kurses vollzogen und will der FPÖ stärker Konkurrenz machen. Der bisher als eher liberal geltende Parteichef Reinhold Mitterlehner hat mit diesem Aktionsplan auch einen persönlichen Positionswechsel vollzogen. Willkommenskultur gilt als neues Schimpfwort in der ÖVP.
Sogar Flüchtlingskoordinator Christian Konrad muss sich öffentlich von Innenministerin Johanna Mikl-Leitner dafür abwatschen lassen, dass er sich gegen Obergrenzen ausgesprochen hat. Das klingt nach Kampf der Kulturen im Raiffeisen-ÖVP-Niederösterreich-Lager.
Parteichef Mitterlehner ließ bei der Klausur mit einem Seitenhieb gegen Hundstorfer aufhorchen, den er als "gut aufgelegten, flotten Ballbesucher" bezeichnete, was aber nicht den Notwendigkeiten für das Amt entspreche. Dabei galten der Wirtschafts- und der Sozialminister, die persönlich gut miteinander konnten, jahrelang als Kitt in der großen Koalition. Der Vizekanzler machte sich auch öffentlich über das "rote Ringelspiel" durch Ressorttausch der Minister lustig. Postwendend bezeichnete SPÖ-Bundesgeschäftsführer Gerhard Schmid Mitterlehner als "ersten Küchengehilfen in Lopatkas Giftküche".
Regieren sollte mehr sein als kesse Sprüche und Sandkastenspiele. Aber, wie einst der Wiener Bürgermeister Michael Häupl sagte, Wahlkampf ist "die Zeit fokussierter Unintelligenz". In den nächsten Monaten ist die Politik mit sich selbst beschäftigt, statt Lösungen zu erarbeiten. Die Gefahr ist groß, dass durch diesen Wahlkampf die Polarisierung in der Regierung und der Gesellschaft weiter zunimmt.
(Alexandra Föderl-Schmid, 16.1.2016)