Der Mattersburger Stadtpfarrer Günther Kroiss hat viele Herzensprojekte.

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Das Café Savio ist eines davon.

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Das einzige verbliebene jüdische Haus wird als sozialpädagogisches Kaffeehaus von den Jugendlichen selbst geführt.

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Günther Kroiss ist – viele Burgenländer sind das – ein Häuselbauer. Er sieht nie die Baustelle, stets nur den schon fertigen Bau. Und das tut er mit solcher Inbrunst, dass er immer wieder eine neue Baustelle anfangen kann. Jetzt gerade eine für ein Wohnheim für acht Burschen, denen das Leben bisher nicht wirklich viel geschenkt hat.

Vier Österreicher und vier unbegleitete Flüchtlinge sollen hier, in dem angejahrten, nach fleißigen Händen schreienden Streckhof, nicht nur wohnen. Sie sollen hier wieder oder erstmals ins Arbeiten finden. In der Tischlerwerkstatt. Oder im Schenkhaus.

Ein Schenkhaus wird es in der Mattersburger Hauptstraße klarerweise auch geben. Denn alles, was Günther Kroiss – der Wirtssohn und Absolvent der Klosterneuburger Weinbauschule – anpackt, wird am Ende immer eine Art Schenkhaus sein. Brot, Wein, Zusammenhocken: Das ist nicht bloß eine gastronomische Angelegenheit. Sondern auch eine theologische.

Seit 2011 ist der 45-jährige Günther Kroiss der Stadtpfarrer von Mattersburg. Aber nicht erst seitdem hat er seiner 7000-Seelen-Gemeinde die Grundbegriffe der praktischen Seelsorge eingetrichtert: Es gibt nichts Gutes, außer man tut es. Und so fuhrwerken der Pfarrer und seine Mitstreiter ("Das geht nur im Team") unermüdlich, und mit dem pragmatisch-realitätsausblendenden Häuselbauerblick, im Flüchtlingswesen, in der Sozialhilfe, in der Berufseinstiegshilfe, in der Lernunterstützung, im interreligiösen Dialog. Und in der Gastronomie. Das ganz besonders.

Vorbild für Lerncafés

Begonnen hat alles 2000, im Jahr seiner Priesterweihe. Aus einem Maturaprojekt an der Mattersburger Handelsakademie, wo er immer noch Religionslehrer ist, entstand der Verein "2getthere", in dem Oberstufenschüler gegen geringes Entgelt lernschwachen Kollegen und Kolleginnen auf die Sprünge halfen. Das war das Vorbild für die Caritas-Lerncafés.

Und Anstoß auch für die nächste Ausbaustufe, den Verein "Work 2getthere". Junge Menschen, denen das Leben bisher viel aufgebürdet hat, können sich hier wieder oder erstmals ans Tätigsein gewöhnen. Ein märchenhaft verwinkeltes Haus – Relikt der einst großen Judengemeinde – wurde als Bar eingerichtet und von den Jungen geführt. Nach dem Schutzpatron der katholischen Jugend, Domenikus Savio, nennt sich diese Bar "Savio".

Daneben gibt es auch eine kleine Tischlerei. Hier können jene, die das Leben ein wenig leutscheu hat werden lassen, ihre Fähigkeiten erproben. Günther Kroiss ist ja keiner, der sich bloß der Ausbildung annimmt, obwohl die Geschäftführer des Gastrobereichs und der Tischlerei ihre Lehrberechtigung haben und es könnten. Aber jene, die hierher kommen, müssten sich erst in den Basics zurechtfinden, sagt Kroiss: "Sie brauchen einmal eine Tagesstruktur."

Sozialpädagogische Karriere

Geläufige sozialpädagogische Maßnahmen und Absichten erscheinen dem Pfarrer da eher weniger prioritär. "Die haben ja alle eh schon eine lange sozialpädagogische Karriere hinter sich."

Es gehe um Selbstfindung, die erst die Integration ins Leben möglich macht. "Die Jungen müssen sich spiegeln können." Das aber durchaus auch – oder vor allem – in ihrer Tätigkeit. Ein schief gehobeltes Brett hilft diesbezüglich oft mehr als das noch so gut gemeinte Mahnwort der Fürsorgerin.

Und so entstand dann auch das jüngste Werk des Mattersburger Stadtpfarrers, den sie da und dort auch Tausendsassa des Herrn rufen. Ein Baumeister stellte seinen leerstehenden, zentrumsnahen Streckhof zur Verfügung. Und wollte das Gebäude auch gleich herrichten. Aber der Pfarrer winkte ab: "Das sollen die Burschen selber machen."

Vier Burschen sind Österreicher, vier unbegleitete Flüchtlinge. Und diese acht tun jetzt gemeinsam, was Häuselbauer eben tun: Sie krempeln die Ärmel hoch. Bauen sich ihre Wohnung ("Es gibt acht Zimmer, jeder soll ein Einzelzimmer bekommen") selber. Ihre Tischlerwerkstatt. Und dem Pfarrer das Schenkhaus – die fünfte Gastrolocation wäre das.

Und unversehens, so hofft Kroiss, stehen die acht, mit so unterschiedlichen Binkerl Beladenen, mitten im eigenen Leben, in das hinein sie einander geholfen haben – ohne viel Aufhebens.

Im Pfarrheim logieren zwei syrische Familien, zehn Menschen. Auch sie werden wohl, wenn auch auf andere Weise, ins neue Leben finden. Drei in sich und die Sozialpädagogik verstrickte junge Burschen logieren im Pfarrhof. Und nebenbei tut Günther Kroiss, was ein Pfarrer halt so zu tun hat: vom Aus-der-Taufe-Heben übers Beichtehören bis zum Ins-Grab-Legen.

Das Tausendsassatum des Günther Kroiss hat Mattersburg jedenfalls die Bitterkeit lautstarker fremdenfeindlicher und sozialneidiger Debatten erspart. "Niemand fragt mich, ob das, was ich mache, okay ist. Sondern nur: Derschupft er's eh?" Eine gute Frage, die der umtriebige Pfarrer sich täglich auch selber stellt. Sich und seinem Herrgott. Vorderhand antworten beide: "Ja." (Wolfgang Weisgram, 17.1.2016)