Es wird eng für Mackie (Tobias Moretti): Lucy (Gan-ya Ben-Gur Akselrod) und Polly (Nina Bernsteiner) sind ziemlich übler Laune.

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Wien – Nichts gegen Musicals an sich. Es war jedoch – vor nun zehn Jahren – keine üble Idee, den opernaffinen Repertoirehäusern (Volksoper, Staatsoper) mit dem Theater an der Wien ein drittes, nun aber dem Stagione-Prinzip Verpflichtetes hinzuzufügen. Das Musical musste ausziehen, es hatte und hat jedoch mit Raimundtheater und Ronacher noch zwei respektable Bleiben. Das Theater an der Wien blühte aber in der Intendanz von Roland Geyer zum international renommierten Ort auf, der nicht immer, aber doch signifikant oft interessante Inszenierungskunst präsentiert.

Zum Zwecke des Jubiläums gerade Brecht/Weills Dreigroschenoper zu wählen zeugt denn auch konsequent von gewissem Wagemut. Das dramaturgisch beschwerliche Stück, das Sängerschauspieler in spezieller Weise fordert, verlangt von der Regie die Wahrung stückimmanenter sarkastischer Hellsicht. Gleichermaßen drängt es die Regie jedoch zur Erlösung von einer gewissen formalen Unschärfe – jedoch nicht unbedingt mit Mitteln allzu grellen Musiktheaters. Es drohte Verharmlosung.

Im Dickicht all dieser Forderungen und Anforderungen hat sich Keith Warner wacker verfangen. Auf der Drehbühne belebt er eine Konstruktion handwerklich sauber, die Hinterhofcharme verbreitet und sich zur Bühne wandelt, auf der giftige Romantik zur Entfaltung kommt (Bühnenbild: Boris Kudlicka). Der Wechsel vom Sprechteil zum Gesanglichen versprüht Eleganz; unverkrampft wandelt sich das trostlose Londoner Ambiente (hier die 1950er) zum gleißenden Auftritt einander doch zugetaner Existenzen.

Da trifft Macheath die Damen seines allzu großen Herzens, trifft die Spelunken-Jenny zum ruppigen Tänzchen (glänzend: Anne Sofie von Otter) oder begegnet Lucy (pointiert: Gan-ya Ben-gur Akselrod) in der Hoffnung, mit ihrer Hilfe aus einem einengenden Käfig befreit zu werden. Bedauerlicherweise erscheint in diesem heiklen Augenblick auch Polly (glänzend auch vokal: Nina Bernsteiner), die sich als Gattin des nun dem Galgen deutlich näher rückenden Macheath outet.

Etwas unterkühlt

In vielen dieser Augenblicke steht der Regie der Sinn nach Revue. Und Warner löst Situationen in Verbindung mit den Vorgängen im Orchestergarben effektvoll auf. Dass damit ein Preis – was die Tiefenschichten des Stücks anbelangt – bezahlt wird, ist allerdings ebenso klar. Wobei vor allem die etwas harmlose Gestaltung des Sprechteils und dessen knallige Darstellung zu einer ironischen Pointe führen: Diese Dreigroschenoper rückt mitunter so weit an das Musical heran, dass sie als Racheopfer des leichten Genres (wegen dessen Delogierung aus dem Theater an der Wien) wirkt.

Gerade in diesem Punkt ist Tobias Moretti (als Macheath) kein Vorwurf zu machen. Bei ihm kein leichtfüßiges Outrieren – im Gegenteil. Er gibt einen Hallodri, der seine Umwelt mit subtiler Strenge traktiert. Dabei jedoch wirkt er in einer Weise unterkühlt, die schon an ironische Distanzierung von der Rolle grenzt. Seltsam. Mit Fortdauer des Stücks, mit zunehmender Nähe zu der selbstentlarvenden Heuchelei seiner Umwelt, löst sich der Knoten jedoch zusehends. Schließlich singt Moretti im Käfig hängend seinen Ekel heraus – er tut es mit dem vokalen Charme eines geschmacklich intelligenten Amateurs.

Das Ensemble? Es wird veredelt durch den virtuosen Florian Boesch (als Peachum) und Angelika Kirchschlager (als witzige, scheinbar harmlose Celia). Es ist zudem auch das Klangforum Wien unter Johannes Kalitzke ein eloquenter Advokat der musikalischen Gesten und all der klanglichen Delikatessen, die trotz schlanker Instrumentierung existieren. Applaus – auch für Warner, der mit einer hängenden Mackie-Puppe am Ende versucht, ein Nachdenklichkeit weckendes Rufzeichen zu setzen. So unnötig wie peinlich. (Ljubiša Tošić, 14.1.2016)