Das Notquartier in der Vorderen Zollamtsstraße in Wien, derzeit Heim für 800 Flüchtlinge, muss im Mai geschlossen werden. Die Schaffung eines weiteren Großquartiers ist dann wohl unabdingbar.

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Graz/Wien – Der Platzmangel bei der Unterbringung von Flüchtlingen sowie die anhaltenden Flüchtlingsbewegungen zwingen die Stadt Wien einerseits dazu, als Zwischenlösung gedachte große Transitquartiere wie das Dusika-Stadion weiter zu betreiben. Andererseits müssen neue Großquartiere geschaffen werden.

In die leerstehenden Siemens-Bürogebäude in der Floridsdorfer Siemensstraße sollen nach einem Umbau ab Ende Jänner 600 Flüchtlinge einziehen. Laut Bezirksvorsteher Georg Papai (SPÖ) entstehen "drei Häuser für je 200 Flüchtlinge".

Papai wurde von der Entscheidung des Fonds Soziales Wien (FSW) "überrascht, Bezirke haben bei der Schaffung von Quartieren aber kein Mitspracherecht". Er werde mit Anrainern Informationsgespräche führen. Der Vertrag mit Siemens laufe bis Ende September. Die Kritik der Bezirkspartei Wir für Floridsdorf (Wiff) an der Schaffung des Großquartiers bezeichnete Papai als "unter der Gürtellinie". Die Alternative sei schließlich, dass Flüchtlinge obdachlos seien.

Heim für bis zu 1.000 Flüchtlinge in Liesing

In ein ehemaliges Bürogebäude in Wien-Liesing hätten nach Plänen des FSW bald 1.000 Flüchtlinge ziehen sollen. Nach Protesten von Anrainern und auch Bezirkschef Gerald Bischof (SPÖ) verständigte man sich laut FSW "vorerst" darauf, das Quartier für 750 Flüchtlinge zugänglich zu machen. Der Bezirk sei aber für die Schaffung von zusätzlichen 250 Plätzen in Kleinquartieren verantwortlich. "Sollten es die Entwicklungen erfordern", könne man im Großquartier aber auch auf 1.000 aufstocken, sagt ein FSW-Sprecher dem STANDARD.

Mehrere größere Quartiere für rund 400 Flüchtlinge sind zudem kurzfristig in Planung. Dabei wird es aber nicht bleiben: Ende Mai 2016 wird ein Haus in der Vorderen Zollamtsstraße in Wien-Landstraße, das aktuell 800 Flüchtlinge beherbergt, geschlossen und danach laut FSW von der Universität für Angewandte Kunst genutzt. Schon bald wird eine von der Gärtnerei Starkl in Simmering zur Verfügung gestellte Halle für bis zu 400 Flüchtlinge geschlossen.

Wien übererfüllt die Quote derzeit übrigens um 13,6 Prozent. Nur Niederösterreich und Vorarlberg sind ebenfalls nicht säumig.

Identitäre protestieren in Graz

In Graz braut sich einiger Protest gegen den Plan des Innenministeriums zusammen, in der Kirchner-Kaserne im innerstädtischen Bezirk Jakomini ein Asylzentrum einzurichten. Für Sonntag sind erste Proteste der Identitären – mit FPÖ-Unterstützung – geplant.

"Die Regierung hört auf niemanden und setzt weiter auf Großquartiere, die nur große Probleme schaffen. Sie ist völlig überfordert. Das wird Folgen haben. Sie riskiert damit, bei den nächsten Wahlen wieder haushoch zu verlieren", sagt Bürgermeister Siegfried Nagl im STANDARD-Gespräch. Nagl macht sich natürlich auch um seine Stadt-ÖVP Sorgen. Graz wählt 2017.

Innenministeriumssprecher Karl-Heinz Grundböck bestätigt dem STANDARD, dass das Ministerium in der Kirchner-Kaserne Platz für Asylwerber schaffen will. "Ja, es gibt das Angebot des Verteidigungsministeriums für das Areal. Je früher wir es nutzen können, desto besser." Über die Anzahl der Flüchtlinge, die hier untergebracht werden sollen, werde beraten. Genutzt wird nur das Kasernengelände, die Gebäude bleiben beim Verteidigungsministerium. Zur Betreuung werden Container aufgestellt.

400 Asylwerber in Kirchner-Kaserne

Momentan ist von rund 400 Asylwerbern die Rede, ÖVP-Bezirksvorsteher Klaus Strobl rechnet hoch, dass bis zu 1.500 Menschen Platz finden könnten.

Während sich auch die KPÖ gegen das Zentrum ausspricht, reagiert Grünen-Stadträtin Lisa Rücker differenzierter: "Dass hier im Zentrum ein Asylzentrum entstehen soll, sehe ich nicht so als Problem. Hier gibt es eine entsprechende Infrastruktur, das ist doch wesentlich besser als irgendwo völlig abseits. Das große Problem sehe ich in den privaten Betreuungsfirmen."

Das "Um und Auf" sei aber, dass die Bevölkerung "mitgenommen wird". Rücker: "Ich urgiere schon die längste Zeit, dass unsere Experten vor Ort geschickt werden, um eine Kommunikation aufzubauen. Aber es ist nichts geschehen. Der Bürgermeister und die anderen argumentieren, man soll nicht schon frühzeitig Unruhe schaffen." (David Krutzler, Walter Müller, 14.1.2016)