Wien/Graz/Salzburg – Ein Projekt eines neuen Forschungsverbands, dessen Auftakt am Donnerstag in Wien erfolgt, will dem Deutsch in Österreich auf den Grund gehen. Am Ende wollen die Forscher mehr darüber wissen, "wer mit wem in welcher Situation welche Form von Deutsch spricht".

"Wenn vom österreichischen Deutsch gesprochen wird, dann geht es meistens um die Standardsprache und deren Unterschiede in der Schrift zum bundesdeutschen Deutsch", sagt Alexandra Lenz, Leiterin des Spezialforschungsbereichs und Variationslinguistin am Institut für Germanistik der Universität Wien. Dieser Ansatz finde sich auch in emotionalen gesellschaftlichen Debatten wieder – etwa wenn es um die Rettung des Paradeisers vor der Tomate gehe.

Viele Varianten einer Sprache

Die beteiligten Wissenschafter der Unis Wien, Salzburg und Graz und der Akademie der Wissenschaften wollen sich aber, gefördert vom Wissenschaftsfonds FWF, dem "Gesamtspektrum" des Deutschen in Österreich widmen. Ein wichtiger Punkt dabei ist die Erforschung der Alltagssprache und der Form, wie Menschen verschiedene Spracharten verwenden und mischen – wie sie sich also zwischen Standardsprache und Dialekt hin- und herbewegen.

Das österreichische Deutsch sei jedenfalls sehr variantenreich, sagt Lenz, die selbst aus Deutschland stammt. Das liege nicht nur an der historisch gewachsenen Mehrsprachigkeit, sondern auch an den zahlreichen Kontakten mit anderen Sprachen in der Gegenwart. Insbesondere diesem fortlaufenden Sprachwandel wollen die Forscher folgen. Das gilt auch für die Meinungen der Bevölkerung zum österreichischen Deutsch und den Veränderungen, denen es unterliegt.

Wenn darüber diskutiert werde, dass das "Wienerische" als Dialekt verlorengeht, stimme das in gewissem Maße, sagt Lenz. Auf die "Gesamtstadtsprache Wienerisch" treffe das aber nicht zu. "Denn man kann ja weiter einen Linzer von einem Wiener unterscheiden, auch wenn beide nicht von sich sagen würden, dass sie Dialekt sprechen."

Untersuchungsmethode(n)

Mit Komplettaufzeichnungen über ganze Tage hinweg wollen die Forscher tief in die im Alltag gesprochene Sprache eintauchen. Geht nämlich ein Untersuchungsteilnehmer mit kleinem Mikrofon und Aufnahmegerät ausgestattet durch den Tag, "vergisst" er eher darauf und spricht unverfälschter. "Damit soll gezeigt werden, wie komplex unser Sprechen im Alltag eigentlich ist", sagt Lenz – und wie wenig bewusst uns das oft sei. Die Daten sollen danach über Onlineplattformen zugänglich gemacht werden.

Am Ende wollen die Forscher ein "gesamthaftes Bild" herausarbeiten, in welche Richtung sich das österreichische Deutsch bewegt. "Wir sind in einer Umbruchsituation", sagt Lenz, "aber wohin es geht, kann ich nicht sagen."

Dass die Anzahl der Dialektsprecher abnimmt, ist für Lenz klar. Andererseits steige seit 15 bis 20 Jahren das Bewusstsein für den Wert von Dialekten und "innerer Mehrsprachigkeit" – also der Fähigkeit, verschiedene Varianten einer Sprache zu sprechen und zu verstehen. Die Verfügbarkeit von Fernsehsendern aus dem gesamten deutschen Sprachraum führe zudem nicht unbedingt nur zu einer Annäherung der Sprachen, sondern auch zu einem stärkeren Bewusstsein für verschiedene Varietäten des Deutschen als Standardsprache. (APA, red, 13.1.2016)