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US-Präsident Barack Obama hielt seine letzte Rede zur Lage der Nation.

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Obamas erste State-of-the-Union-Rede – und seine letzte.

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Vizepräsident Joe Biden (links) und Paul Ryan, Sprecher des Repräsentantenhauses (rechts).

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Die USA will der künftige Altpräsident zukunftsfit machen.

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Washington – Es hätte ein Bilanzziehen, Hervorkehren von Eigenleistungen oder eine öffentliche Abrechnung mit den letzten acht Jahren werden können. Stattdessen konzentrierte sich US-Präsident Barack Obama in seiner achten und letzten Rede zur Lage der Nation darauf, seinen Landsleuten Visionen für die Jahre nach seiner Präsidentschaft mit auf den Weg zu geben.

Im Plenarsaal des Repräsentantenhauses versprach Obama zunächst, sich dieses Mal "kurz zu halten", da die Erwartungen an ihn aufgrund des Vorwahlkampfes schon entsprechend gesunken wären. Eine Ankündigung, die er nicht einhielt. Die darauffolgende Stunde nutzte er dazu, Optimismus zu versprühen und Zyniker Lügen zu strafen. Angesichts einer unsicheren Zukunft in einer vernetzten, sich immer schneller drehenden Welt, wäre es wichtiger denn je, sich – ganz dem typisch amerikanischen Gedanken folgend – neu zu erfinden, anstatt sich von Ängsten bremsen zu lassen und gegeneinander zu arbeiten.

The New York Times

Vier Fragen

Vier Fragen müssten die Amerikaner für sich beantworten können, um für die Zukunft gerüstet zu sein: Wie können jedem US-Bürger Chancen und Sicherheiten garantiert werden? Wie kann Technologie für und nicht gegen die Menschheit arbeiten? Wie können die Vereinigten Staaten die Welt zu einem sicheren Ort machen, ohne Weltpolizist zu spielen? Wie kann sichergestellt werden, dass Politik das Beste und nicht das Schlechteste in uns zum Vorschein bringt?

Hinweise auf Antworten gab der Präsident dann gleich selbst.

Obwohl sich die Wirtschaftsbilanz, darunter die Halbierung der Arbeitslosenzahlen in den letzten acht Jahren, durchaus sehen lassen kann, gestand Obama ein, dass die Wirtschaftsdaten allein ein unausgewogenes Bild zeichnen. Es sei heutzutage schwieriger denn je, der Armut in den USA zu entfliehen, als junger Mensch eine Karriere zu starten oder seine Pensionsansprüche geltend zu machen. "Die einzigen, die noch Jobsicherheit garantiert bekommen, sitzen jetzt hier in dieser Kammer", konnte sich Obama Sarkasmus nicht verkneifen. Der schwindende Einfluss von Arbeitnehmern gegenüber Firmen müsse bekämpft werden, die "Multis" und Banken besser reguliert, denn "die Personen, die von Lebensmittelmarken leben müssen, haben keine Wirtschaftskrise verursacht".

Krebs soll heilbar werden

In puncto Innovation und Technologie gab Obama ein sehr konkretes und ambitioniertes Ziel vor: die immerwährende Heilung von Krebs. Eine Botschaft, die auch indirekt an seinen Vize-Präsidenten Joe Biden adressiert war, der seinen Sohn im letzten Jahr dadurch verloren hatte.

Seinen wunden Punkt, die Außenpolitik der USA in den letzten Jahren, versuchte Obama geschickt mittels Ursache-Wirkung-Twist zu verteidigen: Die Welt sei zwar ein unsicherer Ort geworden, dies sei jedoch nicht einer defensiveren US-Außenpolitik geschuldet. Die USA seien nach wie vor die mächtigste Nation der Welt, die niemand zu attackieren wage. Dennoch befände sich das internationale System im Umbruch. Die Neugestaltung desselben sei auch sein eigener Auftrag gewesen, sagte Obama und verwies auf den ausverhandelten Iran-Deal und die Erneuerung des Verhältnisses zu Kuba.

"IS kann Existenz der USA nicht gefährden"

Der Schutz der amerikanischen Bürger bleibe oberste Priorität; Terroristen, die Obama als "Killer und Fanatiker" bezeichnete, müssten rigoros verfolgt und bekämpft werden. Gruppen wie die Terrormiliz "Islamischer Staat" stellten zwar eine große Bedrohung für Zivilisten dar. Sie könnten die nationale Existenz der USA aber nicht gefährden, so Obama.

Indirekt auf die Aussagen des republikanischen Präsidentschaftsanwärters Donald Trump bezugnehmend betonte Obama, dass es keinen Platz für Politik geben dürfe, die Menschen aufgrund ihrer Religionszugehörigkeit und Rasse pauschal attackiere: "Das hat nichts mit politischer Korrektheit zu tun." Die USA würden für ihre Offenheit und Diversität weltweit respektiert und bewundert. Wenn Muslime pauschal beleidigt, Moscheen angegriffen und Kinder gehänselt würden, mache das die USA nicht sicherer. Im Gegenteil, es sei ein Betrug daran, wofür das Land stehe, hielt der US-Präsident fest.

Dass es ihm nicht gelungen sei, das grundsätzliche Vertrauen der US-Amerikaner in das politische System zu stärken, sei etwas, das er sehr bedaure. Reformen, die dafür sorgen, dass Politiker durch das Ziehen von Wahlkreisen (Gerrymandering) nicht mehr den Stimmengewinn manipulieren können, Spendengelder eine geringere Rolle spielen und Barrieren für Wähler abgebaut werden, seien dringend notwendig, um der Demokratie auch weiterhin ihren Platz zu garantieren.

Dass sich die Zukunft auch in schwierigen Zeiten in eine positive Richtung drehen könne, daran wollte Obama in großem Pathos abschließend keinen Zweifel lassen: "Ich glaube an euch. Das ist der Grund, warum ich heute überzeugt hier stehen kann und sagen kann, dass wir als Nation stark sind." (Teresa Eder, 13.1.2016)