Seilverkäufer im Souk Sagana in Khartoum.

foto: british museum

Motorboote am Nil in Abri.

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Unser Haupttransportmittel für die nächsten acht Wochen.

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Das Dorf auf der Insel Ernetta, zu dem unser Grabungshaus gehört. Fava-Bohnen (im Vordergrund) und Datteln sind die zentralen landwirtschaftlichen Produkte der Region.

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Unser Grabungshaus, der hintere Teil wurde erst 2014 angeschlossen. Im vordersten Hof sind Scherben zum Trocknen aufgelegt. Die Reihe von Plastikkübeln im zweiten Hof dient dem Erwärmen von Wasser zum Duschen.

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Daniel mit dem lokalen Schmied in seiner Werkstätte in Abri. Gerade wird die Plattform für den Flaschenzug angefertigt.

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Nach der Ankunft im Sudan sind die ersten Tage immer der Beschaffung von Ausrüstung gewidmet, bevor die Grabung wirklich beginnen kann. Während technische Geräte und einige Werkzeuge aus Europa mitgebracht werden, müssen viele Dinge auch in der Hauptstadt Khartoum besorgt werden. In der einzigen Amara West näher gelegenen Stadt Abri, mit etwa 4.000 Einwohnern die drittgrößte Stadt der gesamten Nord-Provinz, ist viel entweder nicht oder nur sehr teuer verfügbar, da alles entweder aus Khartoum oder aus Ägypten gebracht werden muss.

Auf der Einkaufsliste stehen für mich heuer neben dem üblichen Kochgeschirr, Werkzeug, Metallkisten für den Transport und Klopapier für acht Wochen auch Bauteile für die Stützkonstruktionen, mit denen die Gräber gesichert werden sollen. Daher verbringe ich die ersten beiden Tage gemeinsam mit zwei spanischen Bauingenieuren, deren Firma mehrere archäologische Ausgrabungen betreut, in Sagana, dem Baumaterial-Souk von Khartoum. Wir suchen nach den entsprechenden Metallteilen. Diese werden dann mit einem eigens angemieteten Lastwagen nach Amara transportiert.

Auf einer Insel im Nil

Unser Team selbst legt die 730 Kilometer nach Norden auf der einzigen, erst seit sechs Jahren durchgängig asphaltierten zweispurigen Straße, die von Khartoum bis Wadi Halfa am südlichen Ende des Assuan-Stausees führt, im Auto zurück. Einmal im Norden angekommen, werden wir für die nächsten acht Wochen nur mehr ein Motorboot als Transportmittel nutzen, denn unsere Unterkunft befindet sich auf einer Insel im Nil. Ernetta ist vier Kilometer lang, es gibt drei Dörfer mit insgesamt etwa 200 Einwohnern. Diese sind, wie die meisten Bewohner der Region, Nubier und sprechen neben Arabisch auch einen lokalen nubischen Dialekt. Lebensgrundlage sind hauptsächlich Ful (Fava-Bohnen) sowie Datteln, die zu den besten des Landes zählen.

Untergebracht ist das Team in einem typischen nubischen Haus im östlichen Dorf. Diese werden traditionell aus Lehmziegeln erbaut, sind einstöckig mit großen Innenhöfen, darum angeordneten kleinen Räumen und einer oder mehreren überdachten Verandas. Unser Grabungshaus gehört der Direktorin der örtlichen Volksschule. Es wird seit 2010 von uns permanent gemietet und wurde nach und nach erweitert und unseren Bedürfnissen (Lagerräume, Werkstätten, Arbeitsräume) angepasst. Während unserer zehnmonatigen Abwesenheit wird das Haus nur von Besuchern oder Erntehelfern genutzt. Lediglich die Magazine, in denen die Fundgegenstände der Grabung gelagert werden, gehören ganzjährig uns. Leerstehende Häuser sind in dieser Region des Sudan nicht unüblich, da viele Leute oft für Jahre nach Saudi-Arabien oder Libyen gehen – die Verdienstmöglichkeiten sind dort deutlich besser. Die Häuser werden in der Zwischenzeit von Verwandten betreut.

Strom aus Generatoren

Obwohl der Norden des Sudan in den vergangenen Jahren nach und nach mit Strom versorgt wird, ist Ernetta noch nicht an das Stromnetz angeschlossen. Es gibt lediglich Generatoren, die jedoch aufgrund der hohen Kosten für Treibstoff nur abends betrieben werden. Auch Lebensmittel sind auf der Insel nur sehr begrenzt verfügbar, daher muss fast alles auf der anderen Flussseite in Abri besorgt werden. Eingekauft wird an den Markttagen, die dreimal die Woche stattfinden. An diesen Tagen gibt es auch Fleisch, das wir ohne Kühlschrank nicht lagern könnten.

Obwohl Abri eine der größten Städte der Nord-Provinz ist, gleicht es die meiste Zeit eher einem verschlafenen, staubigen Dorf. Im Zentrum befindet sich ein kleiner Souk mit mehreren Zeilen von Geschäften, Restaurants, Cafés und Werkstätten. Daneben gibt es ein Spital, eine Schule und zwei kleine Hotels, von denen eines mittlerweile zumindest den Standards halbwegs abgehärteter westlicher Touristen entspricht – obwohl sich diese bisher trotzdem nur selten nach Abri verirren.

Langjährige, lokale Arbeiter

Die Grabung selbst startet heuer etwas anders als sonst. Bevor wir wirklich beginnen können, müssen die Grabschächte, die wir vergangenes Jahr zum Schutz mit Sand wiederverfüllt haben, geleert werden. Bei bis zu sieben Meter Tiefe dauert das mehrere Tage. Während das in Europa eher unüblich ist, wird auf Grabungen im Nahen Osten und in Nordafrika ein Großteil der Erdbewegungen von lokalen Arbeitern durchgeführt. Anders jedoch als zu Zeiten Schliemanns, als oft hunderte Arbeiter in wenigen Wochen ganze Siedlungshügel auseinandernahmen, arbeiten diese heute in kleinen Gruppen gemeinsam mit den Archäologen, die anschließend die Dokumentation übernehmen.

In Amara West kommen sämtliche Arbeiter aus Ernetta, einige sind bereits seit 2009 jedes Jahr Teil des Teams. Es gibt auf der Insel sogar noch zwei alte Männer, die schon in den 1940er-Jahren als kleine Jungen bei den ersten Ausgrabungen der Engländer in Amara West mitgearbeitet haben – heute arbeiten ihre Söhne und Enkel dort.

Schächte leeren, Seilzüge bauen

Während die Schächte geleert werden, beginnt auch der Bau der Seilzüge und Stützkonstruktionen. Für den Bauingenieur, der in Spanien normalerweise Hochhäuser baut, ist das eine völlig neue Erfahrung, sowohl was den Ablauf als auch die lokale Arbeitsweise und -geschwindigkeit betrifft.

Zuerst müssen am Rand von zwei Gräbern Betonfundamente für die Seilzüge gebaut werden. Zementsäcke, Sand, Schotter und Wasser müssen dabei mit dem Esel von der Landungsstelle bis auf die Anhöhe, auf der sich die Gräber befinden, geschafft werden. Die Metallteile werden beim Schmied in Abri zugeschnitten und verschweißt. Anschließend werden sie wieder mit Boot und Esel auf die Grabung gebracht. So vergehen vier Tage, bis der erste Seilzug installiert ist. In der Zwischenzeit ist jedoch auch schon der erste Grabschacht geleert. Nach Einbau des ersten Schutzdaches kann damit nun auch endlich mit den eigentlichen Grabungsarbeiten begonnen werden. (Michaela Binder, 14.1.2016)