Die Pelikanfuß-Schnecke Toarctocera war nur eine von vielen Spezies, die im frühen Mitteljura ausstarben.

Foto: SMNS, Günter Schweigert

Stuttgart – Das Phänomen Massenaussterben ist untrennbar mit der Geschichte des Lebens verbunden. Seit die ersten Zellen auf der Bildfläche erschienen sind, wird unser Planet in unregelmäßigen Abständen von teilweise gewaltigen Aussterbewellen heimgesucht – die letzte findet in der Gegenwart statt und ist menschengemacht. Neben diesen globalen und oft so gut wie alle Tier- und Pflanzenstämme betreffenden Ereignissen, traten auch immer wieder Phasen regionaler, weniger umfangreicher Verluste der Artenvielfalt auf.

Eine davon haben Paläontologen in jurazeitlichen Gesteinsschichten beobachtet. Es scheint, als seien vor 174 Millionen Jahren während eines kurzen Zeitabschnitts vor allem zahlreiche schalentragende Meeresspezies wie Schnecken, Muscheln und Belemniten einfach verschwunden – warum, war bislang ein Rätsel. Nun haben Forscher von der Universität Kopenhagen eine mögliche Ursache ausgemacht: Offenbar waren kurzfristige dramatische Temperaturwechsel für das Artensterben verantwortlich.

Das Team um Christoph Korte untersuchte die Veränderungen der Verbreitung von marinen Lebewesen speziell an der Wende vom Unter- zum Mitteljura. Durch die Analyse von Isotopensignalen von Fossilproben konnten die Wissenschafter nun nachweisen, dass die Temperatur des Meerwassers von fast tropischen Verhältnissen in kurzer Zeit um bis zu zehn Grad Celsius gesunken war – und das europaweit.

Unterbrochene Meeresströmungen

Als Steuerungsmechanismus hinter dieser Temperaturschwankung vermuten die Forscher im Fachjournal "Nature Communications" ein Strömungssystem, das warmes Meerwasser durch eine schmale Meeresstraße, den Viking-Korridor, bis in hohe Breiten beförderte. Durch eine tektonische Hebung im Gebiet der heutigen Nordsee wurde diese warme Meeresströmung abgeschnitten, und es kam zu einer globalen Abkühlung. Klimaforscher sprechen von einer "Icehouse-Phase".

In der Folge verschwanden beispielsweise diejenigen Meerestiere aus dem Gebiet des heutigen Süddeutschland, die an die warmen Bedingungen angepasst waren. Sie zogen sich entweder weiter nach Süden zurück oder starben aus. Darunter waren nicht nur Meeresmuscheln, Meeresschnecken und Belemniten, sondern auch Fische, Krokodile und Ichthyosauriergruppen. (red, 12.1.2016)