Was tut man, wenn eine 38-Prozent-Partei dank des Wahlrechts eine absolute Parlamentsmehrheit gewinnt und dann sofort beginnt, demokratische Kontrollmechanismen wie Verfassungsgericht und unabhängige Medien auszuschalten? Außerhalb Europas kann eine solche Aushöhlung des Rechtsstaates rasch in eine Quasi-Diktatur münden. In Polen hingegen gibt es eine selbstbewusste Zivilgesellschaft, die gegen die von PiS-Chef Jaroslaw Kaczynski gesteuerte Rechtsregierung auf die Straße geht, sowie eine Europäische Union, die mit Warnungen und Drohungen dagegenhält.

Allerdings ist der Druck der Opposition, wenn man die Zahl der Demonstranten vom Wochenende betrachtet, noch nicht stark genug, um die Regierung in Bedrängnis zu bringen. Und die EU hat zwei Probleme: Erstens sind sich die 27 anderen Staaten nicht einig; Ungarns Premier Viktor Orbán hat sich bereits demonstrativ auf Kaczynskis Seite gestellt. Das erschwert den Einsatz der stärksten Waffe – die Aussetzung der Stimmrechte und der EU-Mitgliedschaft.

Zweitens reagiert Warschau auf Druck mit sofortigem Gegendruck, wie man an der Vorladung des deutschen Botschafters am Sonntag sehen konnte. Die Kommission und die nationalen Regierungen müssen sich daher bewusst sein, dass hier kein diplomatisches Gerangel, sondern ein beinharter Kampf um die Grundwerte Europas bevorsteht – wie ihn die EU noch nicht erlebt hat. (Eric Frey, 10.1.2016)