Die neue Regierung Kataloniens will binnen 18 Monaten realisieren, wofür zahlreiche Katalanen schon lange demonstrieren: die Region in die Unabhängigkeit zu führen.

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Carles Puigdemont (rechts) gilt als enger Vertrauter des bisherigen katalanischen Regierungschefs Artur Mas (links) und wird nun zu seinem Nachfolger.

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Katalonien bekommt doch noch eine Regierung. Förmlich in letzter Minute einigten sich das separatistische Bündnis "Gemeinsam für das Ja" (JxS) und die linksnationalistische, antikapitalistische Volkseinheit (CUP) und stoppten so drohende Neuwahlen. Der bisherige Regierungschef Artur Mas macht "einen Schritt zur Seite" und tritt nicht zur Wiederwahl im Parlament an. Sein Nachfolger wird mit Carles Puigdemont, derzeitiger Bürgermeister von Girona, ein enger Vertrauter von Mas. JxS und CUP halten 72 der insgesamt 135 Abgeordneten im katalanischen Autonomieparlament und damit die absolute Mehrheit.

Puigdemont wird jetzt den bereits im Frühjahr von mehreren nationalistischen Parteien und Bürgerinitiativen unterzeichneten "Fahrplan" umsetzen. Dieser sieht die Schaffung einer eigenständigen Republik Katalonien binnen 18 Monaten vor.

Die CUP verkündete bereits im vergangenen September, dass sie Mas auf gar keinen Fall unterstützen werde. Eine Basisversammlung bestätigte dies vor einer Woche. Mas ist für die CUP ein rotes Tuch. Er war in den Jahren der Wirtschafts- und Finanzkrise für eine strenge Sparpolitik mit Sozialkürzungen und Privatisierungen verantwortlich. Außerdem gab es in seinem Umfeld mehrere Korruptionsskandale.

Zugeständnisse der CUP

Obwohl die CUP letztendlich Mas zu Fall bringt, geht die antikapitalistische Formation aus den Verhandlungen schwer angeschlagen hervor. Die Linksnationalisten machten Zugeständnisse, die für viele ihrer Wähler nur schwer nachvollziehbar sein dürften. "Man muss Fehler in der kriegerischen Haltung gegenüber JxS anerkennen", heißt es im Abkommen. Als Akt der Selbstkritik sollen mehrere Abgeordnete, die der Formation von Mas besonders kritisch gegenüberstehen, ihren Sitz im Parlament für Nachrücker räumen. Zwei Abgeordnete der CUP treten in die JxS-Fraktion über.

Damit hat der neue Regierungschef Puigdemont eine stabile Mehrheit im Parlament. Außerdem verpflichten sich die verbleibenden acht Abgeordneten der CUP-Fraktion, "auf keinen Fall mit den Gruppen im Parlament zu stimmen", die dem Unabhängigkeitsprozess ablehnend gegenüberstehen. "Was uns die Urnen nicht direkt gegeben haben, haben wir mit Verhandlungen korrigiert", erklärte Mas zufrieden. Er verkündete gleichzeitig, dass er sich nicht aus der Politik zurückziehen werde.

Die Madrider Regierung erwischt die Einigung kalt. Premier Mariano Rajoy rechnete, wie die meisten Beobachter, mit einem Scheitern der Verhandlungen und mit Neuwahlen im März. Das hätte Rajoy selbst mehr Zeit gegeben. Denn der Konservative ist seit den spanischen Parlamentswahlen vom 20. Dezember nur noch provisorisch im Amt.

Schwierige Regierungsbildung

Im Madrider Parlament, das erstmals mit Rajoys Partido Popular (PP), den Sozialisten (PSOE), der Anti-Austeritäts-Partei Podemos und den rechtsliberalen Ciudadanos vier große Fraktionen hat, gestaltet sich die Regierungsbildung schwierig. In einem Kommuniqué spricht Rajoy von der "Notwendigkeit einer spanischen Regierung, die auf eine breite parlamentarische Basis setzen kann". Er wünscht sich eine Koalition aus PP, PSOE und Ciudadanos.

PSOE-Spitzenkandidat Pedro Sánchez will aber auf Podemos zugehen, um eine linke Regierung zu bilden. Allerdings trennt die beiden Parteien genau das Thema Katalonien. Podemos fordert das Recht einer Volksabstimmung über die Unabhängigkeit, auch wenn die Partei für die Erhaltung der Einheit Spaniens eintritt. Die PSOE will davon nichts wissen.

"Es werden Tage starken Drucks für eine große Koalition kommen", prophezeit die wichtigste katalanische Tageszeitung La Vanguardia. "Die Chancen für eine linke Allianz rund um Sánchez werden geringer (...). Die Manöver gegen den Generalsekretär erneut einsetzen", heißt es weiter. Zu den Verfechtern einer großen Koalition gehören einflussreiche sozialistische Regionalfürsten sowie wichtige Unternehmen. (Reiner Wandler aus Madrid, 10.1.2016)