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Erhard Busek hat als ÖVP-Chef 1992 den Diplomaten Thomas Klestil als Überraschungskandidaten der ÖVP vorgeschlagen – und mit ihm im zweiten Durchgang gegen Rudolf Streicher (SPÖ) die Wahl gewonnen.

Foto: AP/Lilli Strauss

Wien – Erhard Busek hat als damaliger ÖVP-Chef 1992 mit dem Überraschungskandidaten Thomas Klestil, einem Diplomaten, die Hofburg im zweiten Wahlgang gegen Rudolf Streicher (SPÖ) für die ÖVP errungen. Dass die Volkspartei nun mit dem ehemaligen Nationalratspräsidenten und Schwarz-Blau-Mastermind Andreas Khol in die Präsidentschaftswahl gehen will, nennt er im STANDARD-Interview "bedauerlich". Erwin Pröll habe Parteichef Reinhold Mitterlehner durch seinen Rückzieher in "ungeheure Verlegenheit" gebracht.

"Mit Fantasie" hätten sich auch andere Kandidaten oder Kandidatinnen finden lassen. "Wir sind wieder in der Wüste Gobi", sagt Busek und meint damit ein bestimmtes Politikverständnis: "Das ist Uraltpolitik", die für jüngere Wählergruppen auch "nicht attraktiv" sei.

Den Uraltpolitik-Vorwurf macht er allerdings auch den anderen Parteien und Kandidaten insgesamt. Er hätte etwas jüngere Repräsentanten gewählt, sagt der ehemalige Vizekanzler. Das jetzige Kandidatenangebot werde zu hohen Wahlenthaltungen führen.

STANDARD: Ist der frühere Nationalratspräsident und ÖVP-Klubchef in der Ära Schwarz-Blau, Andreas Khol, der beste Kandidat, den die ÖVP derzeit für die Hofburg aufzubieten hat?

Busek: Wenn Bundesparteiobmann Reinhold Mitterlehner dieser Meinung ist, ist es bedauerlich, denn bei einiger Fantasie hätte man durchaus andere Kandidaten finden können, auch Überraschungskandidaten. Da bin ich natürlich vorbelastet, denn seinerzeit, bei der Wahl 1992, habe ich mit Thomas Klestil auch diesen Weg gewählt.

STANDARD: Welche Überraschungskandidaten hätten Sie denn parat?

Busek: Ich hätte zum Beispiel Helga Rabl-Stadler (Präsidentin der Salzburger Festspiele und ehemalige ÖVP-Nationalratsabgeordnete, Anm.) gefragt oder Doraja Eberle (ehemalige Salzburger Landesrätin, gründete unter dem Eindruck des Bosnienkriegs die Hilfsrganisation "Bauern helfen Bauern" und ist Vorstandsvorsitzende der Erste Stiftung, Anm.), eine Frau mit einem ungeheuren sozialen Engagement und auch gewissen Kenntnissen in Europa selber. Man hätte nur ein bissl herumschauen müssen, da stehen genug Leute herum. Vor allem aber ist es ein Verzicht auf eine gewisse jüngere Generation, ich sage nicht jung. Ich wäre auf jeden Fall in der Generation ein bisschen jünger gegangen, denn mit Andreas Khol wird die Chance versäumt, einen Bundespräsidenten zu haben, der sich selbst die Chance auf eine zweite Periode eröffnet. Da muss man nur zum Alter – er ist 74 – addieren.

STANDARD: Ist Andreas Khol das richtige Signal – und wenn ja, für wen oder in welche Richtung?

Busek: Ich glaube, in Richtung von Senioren nicht, weil das Wahlverhalten der Senioren ohnehin traditionell ist. Da ist nichts zusätzlich zu gewinnen. Möglicherweise ist es aufgrund seiner Vergangenheit in der schwarz-blauen Koalition ein Signal in diese Richtung, aber das soll man auch nicht überschätzen, denn Regierungen werden nicht vom Bundespräsidenten gebildet. Das Kritischere ist: Wir sind wieder zurück in der Wüste Gobi, um ein Lieblingszitat von Khol zu verwenden, nämlich im Hinblick auf eine Gestaltung ansprechenderer Formen von Politik. Das ist Uraltpolitik, was überhaupt bei dieser gesamten Bundespräsidentenwahl passiert, die hat keine Zukunft und kann nicht sehr attraktiv sein – für eine jüngere Generation schon gar nicht, aber nicht einmal für die mittlere. In Wahrheit ist es eine Garantie dafür, dass sich Stimmen zerstreuen oder dass es hohe Wahlenthaltungen geben wird.

STANDARD: Geht dieser Vorwurf an alle Parteien bzw. Kandidaten? Khol ist 74 Jahre alt, Van der Bellen 71, Irmgard Griss 69, Rudolf Hundstorfer wurde im Herbst 64.

Busek: Ja, das betrifft alle! Wenn Hundstorfer der jüngste Kandidat ist – das spricht für sich selber. (lacht)

STANDARD: Was sagen Sie zum Prolog der Kandidatennominierung in der ÖVP? Khol überraschte sogar hohe Parteifunktionäre, die eigentlich mit Erwin Pröll rechneten.

Busek: Andreas Khol ist ist eine Notlösung, ich bin überzeugt, dass Mitterlehner überzeugt war, Erwin Pröll dazu gewinnen zu können, und er war halt dann ab Mitte Dezember in einer ungeheuren Verlegenheit.

STANDARD: Wird da bereits der nächste ÖVP-Chef vorgeführt?

Busek: Ich würde sagen, dafür ist die Bundespräsidentenkandidatur ein zu geringes Argument. Da sind eher die Frage der Akzeptanz der Steuerreform und ihre Wirkungen und einige andere Maßnahmen, zum Beispiel die Bildungsreform, weitaus maßgeblicher.

STANDARD: Was ist da eigentlich los in der ÖVP, wenn vor Weihnachten schon klar ist, Pröll macht’s nicht, es wird aber intern nicht kommuniziert, stattdessen ergehen sich diverse ÖVP-Granden bis zuletzt in untertänigen Ehrerbietungen, wie toll Pröll denn als Bundespräsident wäre?

Busek: Sie sagen es, das ist ein Kommunikationsproblem. Offensichtlich ist die innerparteiliche Kommunikation in der Gegend des Nullpunkts gelandet.

STANDARD: Welche Bedeutung hat die Bundespräsidentenwahl überhaupt? Ist es eine wichtige Wahl?

Busek: Die Wahl ist wichtig, weil wir auf labilere Situationen zugehen. Da ist der Bundespräsident durch die Verfassung ein gewisser Fixpunkt. Hier hat man die Chance versäumt, für eine mögliche gefährliche Entwicklung vorzusorgen, aber auch ein Signal zu setzen, inwieweit sich Politik verändern kann, denn die anderen Kandidaten inklusive Frau Griss oder Van der Bellen sind ja auch kein Signal für eine Neugestaltung der Politik.

STANDARD: Wie müsste der oder die Nächste in der Hofburg das Amt gestalten? Welche Form von Politik ist in diesen Zeiten notwendig?

Busek: Was der Bundespräsident wirklich kann, sind gewisse Signalaussagen. Er kann eine ethische oder prinzipielle Orientierung sein, auch im Hinblick auf das Einhalten der Verfassung, und das ist eine ganz entscheidende Aufgabe. (Lisa Nimmervoll, 10.1.2016)