Berlin – Der deutsche Justizminister Heiko Maas (SPD) geht davon aus, dass die Silvester-Angriffe auf Frauen in Köln organisiert waren. "Wenn sich eine solche Horde trifft, um Straftaten zu begehen, scheint das in irgendeiner Form geplant worden zu sein", sagte Maas der "Bild am Sonntag". "Niemand kann mir erzählen, dass das nicht abgestimmt oder vorbereitet wurde."

Zusammenhang zwischen Attacken möglich

Auch einen Zusammenhang zwischen den Attacken auf Frauen in mehreren deutschen Städten schließt Maas nicht aus. Alle Verbindungen müssten sehr sorgfältig geprüft werden, sagte der Minister der Zeitung. "Der Verdacht liegt nahe, dass hier ein bestimmtes Datum und zu erwartende Menschenmengen herausgesucht wurden. Das hätte dann noch einmal eine andere Dimension."

Wie die "Bild am Sonntag" unter Berufung auf vertrauliche Polizeiberichte berichtete, riefen nordafrikanische Gruppen offenbar über soziale Netzwerke Landsleute dazu auf, in der Silvesternacht nach Köln zu kommen. Demnach wurden Nordafrikaner aus Köln und Umgebung, aber auch aus Nachbarländern aufgefordert, zum Kölner Hauptbahnhof zu fahren.

Keine höhere Kriminalitätsrate

Maas warnte jedoch davor, aus den Vorfällen Rückschlüsse über die Gesetzestreue von Migranten zu ziehen. "Aus der Herkunft eines Menschen abzuleiten, dass er eher straffällig wird oder nicht, halte ich für abenteuerlich", sagte der Minister der "BamS". Statistische Erhebungen über die Straffälligkeit von Flüchtlingen zeigten, dass die Kriminalitätsrate genauso hoch sei wie bei Deutschen.

Auch sei es "schlicht falsch" zwischen den Exzessen in Köln und dem Flüchtlingszuzug einen Zusammenhang zu sehen: "Natürlich sind unter den mehr als eine Million Menschen auch solche, die Straftaten begehen", sagte Maas. Es gebe aber keinen Hinweis darauf, dass die Anzahl der Straftaten durch den Zuzug überproportional gestiegen sei.

"Stumpfe Vorurteile haben sich gerade nicht bestätigt", sagte Maas dem Blatt. Die Kölner Exzesse als Beleg zu sehen, dass die Integration gescheitert sei, sei "weder angemessen noch zutreffend". Wer an diesen Taten beteiligt war, sei ein Krimineller und müsse auch so behandelt werden. Die Straftaten als Beweis dafür zu sehen, dass alle Ausländer nicht integrierbar seien, halte er aber für "kompletten Unsinn."

Zur Herkunft der Täter von Köln sagte Maas: "Der kulturelle Hintergrund rechtfertigt oder entschuldigt nichts. Er wäre noch nicht mal als Erklärung akzeptabel. Bei uns sind Frauen und Männer in allen Beziehungen gleichberechtigt. Das hat jeder zu akzeptieren, der hier lebt."

Kritik an Rechtspopulisten

Der rechtspopulistischen AfD und der fremdenfeindlichen Pegida-Bewegung warf Maas vor, mit den Ereignissen von Köln Stimmungsmache zu betreiben. AfD und Pegida hätten "nur auf diese Vorfälle gewartet". "Anders lässt sich nicht erklären, wie sie jetzt schamlos pauschale Hetze gegen alle Ausländer betreiben", sagte Maas. "Radikalen Brandstiftern" dürfe jetzt aber nicht das Feld überlassen werden: "Hier braucht es auch eine starke Antwort des Rechtsstaats", sagte der SPD-Politiker.

Innenminister: Herkunft nicht verschweigen

Innenminister Thomas de Maizière (CDU) warnte indes davor, die ausländische Herkunft von Straftätern nicht zu nennen. Der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" (Samstag) sagte er: "Es darf keine Schweigespirale geben, schon gar nicht darf sie von der Polizei ausgehen."

Der Kölner Polizei war vorgeworfen worden, nach den Vorfällen in der Silvesternacht Hinweise auf die Herkunft der Verdächtigen nicht veröffentlicht zu haben. Der Innenminister sagte, weder Politik noch Medien dürften bei Straftaten, an denen Menschen mit Migrationshintergrund beteiligt sind, anders verfahren als bei Straftaten von Deutschen.

Hessens Innenministerium wies einen "Bild"-Bericht zurück, dass die Polizei zur Vertuschung von Straftaten bei Flüchtlingen angehalten worden sei. "Das Innenministerium hat die Pressestellen der Polizeipräsidien nicht angewiesen, Straftaten, die von Flüchtlingen in Hessen begangen wurden, der Presse vorzuenthalten", sagte der Sprecher des Ministeriums, Michael Schaich, am Samstag.

Das Blatt hatte von einer Anweisung an die Polizei zum Verschweigen von Straftaten berichtet. "Bild" führte als Beleg auch einen ungenannten hohen Polizeibeamten aus Frankfurt an. Nur bei direkten Anfragen von Medien solle die Polizei über Vergehen von Flüchtlingen Auskunft geben, zitiert das Blatt den Beamten.

Die Polizeistellen seien aber darauf hingewiesen worden, sensibel mit dem Thema Flüchtlinge umzugehen, sagte Schaich der Deutschen Presse-Agentur. Es gehe darum zu verhindern, dass das Thema von Rechtsextremen instrumentalisiert werde, die gezielt Stimmung gegen Zufluchtsuchende machten.

Der Vorsitzende der Innenministerkonferenz, Saarlands Ressortchef Klaus Bouillon, warnte, eine Wiederholung dieser Vorgänge hätte schwerwiegende Folgen. "Wenn noch einmal so ein Vorfall vorkommt, bin ich sicher, dann ist das Vertrauen in unseren Rechtsstaat ernsthaft erschüttert", sagte der CDU-Politiker im Deutschlandfunk. "Und dann gewinnen diejenigen die Oberhand, die permanent die Ängste schüren."

Verschärfung der Asylgesetze

Als Reaktion auf die Kölner Angriffe auf Frauen zeichnet sich eine Verschärfung der Asylgesetze ab. "Das, was in der Silvesternacht passiert ist, das sind widerwärtige kriminelle Taten, die auch nach entschiedenen Antworten verlangen", sagte die Kanzlerin und CDU-Chefin Angela Merkel am Samstag nach einer Klausur der Parteispitze in Mainz. Änderungen seien "im Interesse der Bürger, aber genauso im Interesse der großen Mehrheit der Flüchtlinge".

Merkel erklärte, das Recht auf Asylverfahren könne verwirkt werden, wenn Strafen ausgesprochen würden – auch schon auf Bewährung. Die CDU-Spitze beschloss dazu eine "Mainzer Erklärung". Darin geht es unter anderem um ein härteres Vorgehen gegen kriminell gewordene Ausländer und die Einführung der "Schleierfahndung", also verdachtsunabhängige Personenkontrollen.

379 Anzeigen

In Köln hatten sich in der Silvesternacht nach Polizeiangaben kleinere Gruppen aus einer Menge von rund 1000 Männern gelöst, die vor allem Frauen umzingelt, begrapscht und bestohlen haben sollen. Die Zahl der Strafanzeigen nach den Geschehnissen erhöhte sich drastisch auf 379, wie die Polizei am Samstag mitteilte. Zuletzt war sie mit rund 170 angegeben worden. (APA/AFP, 10.1.2016)