Raphaela Möst als Nora in ihrem Puppenheim-Kasten von Raimund Voigt.

Foto: Karlheinz Fessl

Leichtfüßig kehrt Nora aus der weihnachtlichen Warenwunderwelt in die eheliche Enge zurück.

Foto: Karlheinz Fessl

Klagenfurt – So heutig und wirklichkeitsnah, wie Nora und Torvald Helmer seit Donnerstag am Klagenfurter Stadttheater aneinander vorbeilieben, sind sie von Anfang an reif für den Eheberater. Ein hoffnungsloser Fall. Aus der Welt dieses gar nicht so unsympathischen, aber unerbittlichen Paragrafenreiters führt keine Brücke in das Reich des Wunderbaren, in das seine mit Kosenamen verdeckte "bessere Hälfte" am Ende entschwindet. Acht Jahre Ehe, drei Kinder und nur mehr die äußere Form einer Liebe.

Die Inszenierung von Mateja Koležnik wird in manchen Wohnzimmern ein Nachspiel haben. Beruhigend oder, je nach Standpunkt, beunruhigend ist nur: Trotz der patriarchalischen Empörung, die Henrik Ibsens Nora oder Ein Puppenheim schon bei der Uraufführung 1879 erregt hat, ist die befürchtete Folge, Frauen könnten massenweise ihre Männer und Kinder verlassen, nie eingetreten. Ihre Konditionierungen abzuschütteln und sich auf die Suche nach sich selbst zu begeben, haben sie aber schon versucht.

Die als Ibsen-Regisseurin preisgekrönte Slowenin hat eine ganz klare, fast helle und behutsam aktualisierte Sprache für das "Emanzipationsstück" gefunden. Federleicht tanzt Nora vom Weihnachtseinkauf auf die zum Dreieck reduzierte, sterilweiße Bühne (Raimund Voigt), auf der alles zwischen Tür und Angel abläuft.

Bittere Bonbons

Von Anfang an lockt Nora der Klang einer ganz anderen Seinsweise (Musik: Mitja Vrhovnik-Smrekar). Bis Raphaela Möst nach knapp zwei Stunden dorthin aufbricht, mag sie Bonbons, ist ein bisschen konsumkrank und kann gelegentlich nicht nur dem eigenen Ehemann gegenüber ganz schön verführerisch sein. Grandios streift die Nestroy-Nachwuchspreis-Trägerin von 2014 dann aber diese Verschalungen ab und macht der Welt begreiflich, warum sie dieses Puppenheim verlassen muss.

Till Firit trifft als Torvald genau den Mann, der glaubt, dass alles in Ordnung ist, wenn er beruflichen Erfolg hat. Den hat er. Aber um den Preis, immer irgendwie abwesend zu wirken. Er versteckt den Gefühlsmangel hinter der Verniedlichung Noras zu seinem "Eichkätzchen", bis die Brutalität hervortritt: Dann schlägt er auf seine "Lerche" ein, fordert roh ihre sexuellen Ehepflichten oder bietet der zum Gehen Entschlossenen an, ihre Erziehung zu übernehmen. Ein hoffnungsloser Fall.

Komplettiert wird die sehr schöne Produktion durch Michael Schönborns Doktor Rank, der noch sterbend seinen Geschlechtstrieb nicht zu zügeln vermag, und durch Sebastian Edtbauers Nils Krogstad, der sich charakterlich höchst überzeugend krümmt, bis Anna Unterbergers Frau Linde ihm eine Eheperspektive eröffnet. Da bahnt sich wohl das nächste Drama an. (Michael Cerha, 9.1.2016)