"Die Stadtregierung hat viel gemacht, was einem bürgerlichen Typen nicht gefallen kann", sagt Gernot Blümel.

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Wien – Der Wiener ÖVP-Chef Gernot Blümel – er hat den Job unmittelbar nach dem schwarzen Wahldesaster vom 11. Oktober angetreten – setzt auf "kantige, aber konstruktive Oppositionspolitik". So will der Obmann der Stadt-Schwarzen nach der Debatte um islamische Kindergärten nun eine Diskussion um die Mindestsicherung anzetteln. Diese sei auch Anreiz für Flüchtlinge, warnte er im Interview mit der APA.

"Die Stadtregierung hat viel gemacht, was einem bürgerlichen Typen nicht gefallen kann", befand Blümel. Wien zeichne sich etwa durch das niedrigste Wirtschaftswachstum und eine überdurchschnittliche Arbeitslosigkeit, aber auch durch den höchsten Anteil an Mindestsicherungsbeziehern aus. Immerhin 60 Prozent würden in der Bundeshauptstadt leben: "Das sind wesentlichen Dinge, wo ich immer der Meinung war, dass Rot-Grün damit zu lax umgeht."

Mindestsicherung als "Pull-Faktor"

"Die Mindestsicherung ist ein Magnet, der neutralisiert gehört", fordert der Wiener ÖVP-Chef: "Wir sehen einfach, dass wir ein sozial attraktives Land sind und dass das ein gewisser Pull-Faktor ist, auch im Hinblick auf die gesamte Flüchtlingssituation." Blümel urgierte diesbezüglich in Wien eine "Umstrukturierung in Richtung mehr Arbeitsanreize".

Die Auszahlung solle zudem an "Integrationswilligkeit" gekoppelt werden: "Generell geht es um eine Mitwirkungspflicht bei der Mindestsicherung. Die Arbeitswilligkeit kann man da einbeziehen." Auch die Umstellung von Geld- auf Sachleistungen solle zumindest überlegt werden, verlangte der geschäftsführende schwarze Landesparteiobmann.

Initiative bei Islamischen Kindergärten

Erfreut zeigte er sich darüber, dass in Sachen islamische Kindergärten nun Initiativen gesetzt würden – weil man die Diskussion in die Wege geleitet habe: "Durch unser Zutun ist in den letzten Wochen so viel weitergegangen wie in den letzten Jahren nicht." Wien habe bei den Problemen, die es offensichtlich gebe, bisher "strukturiert weggeschaut".

Dass Wien nun etwa von Integrationsminister Sebastian Kurz (ÖVP) verlange, dieser solle konkrete Einrichtungen nennen, in denen die dargelegten Zustände festgestellt worden seien, ist laut Blümel eine "Chuzpe": Wien möchte offenbar von anderen gesagt bekommen, was zu tun sei. Dabei sei es die Stadt, die für Kontrolle zuständig sei und die die Gelder vergebe.

Das Argument, dass Betreiber ohnehin vom Verfassungsschutz geprüft würden, ist nach Ansicht des Wiener VP-Chefs nicht ausreichend: "Der Verfassungsschutz prüft, ob die handelnden Personen verfassungsrechtlich bedenklich sind. Aber nicht jeder, der kein Terrorist ist, soll deswegen einen Kindergarten aufmachen dürfen. Das ist Verantwortung abschieben, die man eigentlich hat."

Neuaufstellung bis zum Frühjahr

Seine eigene Verantwortung will Blümel hingegen wahrnehmen – was die Neuaufstellung der Wiener ÖVP betrifft. Bis zum Landesparteitag, der im Frühjahr stattfinden wird, sollen sowohl Strukturen als auch Inhalte überdacht werden: "Wir sind gerade dabei, das konstruktiv aufzusetzen. Wir sind mittlerweile eine Neunprozentpartei, was sich möglichst bald ändern soll, mit den Strukturen eine Großpartei. Wir sind eher ein Tanker und kein Schnellboot."

Auf dem Programm stünde nun etwa die Entbürokratisierung in den eigenen Strukturen. Das sei auch angesichts geringerer Budgets nötig. Programmatisch drehe sich viele um die Frage: "Wie schaffen wir es, dieses urbane Lebensgefühl, das man als Stadtpartei braucht, wieder anzusprechen." Die Devise hier laute im Zweifel: "So viel Freiheit wie möglich, so viel Ordnung wie nötig."

Positives Bauchgefühl

Die persönliche Entscheidung, von der Bundespartei nach Wien zu wechseln, sei ihm "sehr leicht gefallen", schwor der ehemalige ÖVP-Generalsekretär: "Weil ich die Möglichkeit gesehen habe, selbst etwas in Angriff nehmen zu können." Das Bauchgefühl sei von Anfang an klar gewesen: "Das ist etwas, das ich machen will."

"Die Wiener ÖVP spielt eine große Rolle im Gesamtgefüge der ÖVP. Jeder sagt, auf Bundesebene wird die ÖVP nur dann wieder Nummer eins werden können, wenn in Wien die ÖVP wieder reüssiert. Von dem her sehe ich es gar nicht als einen Abstieg, im Gegenteil. Ich habe die Gelegenheit, selbstverantwortlich zu zeigen, dass die ÖVP-Wien ein bedeutender Teil der ÖVP werden kann", zeigte sich der neue Parteichef – der offiziell beim Parteitag gekürt wird – hoffnungsfroh. (APA, 8.1.2016)