Verkniffenes Lächeln: Ötzi litt möglicherweise unter Bauchweh.

Foto: South Tyrol Museum of Archaeology, Foto Ochsenreiter

Bozen/Wien – Das Spannende an Wissenschaft ist, dass fast jede Antwort unmittelbar die nächste Frage aufwirft. Selbst Gletschermumie Ötzi, der wohl meistuntersuchte Steinzeitmensch überhaupt, hält immer noch Überraschungen bereit.

Nach der Genomanalyse des vor etwa 5.250 Jahren durch einen Pfeil in den Rücken getöteten Mannes hat sich eine internationale Forschergruppe eingehend mit der Mikrobenflora in Ötzis Verdauungstrakt beschäftigt. Das Erbgut der einstigen Magen- und Darmbakterien ist zwar längst in Fragmente zerfallen. Mit Hilfe der Bioinformatiker Dmitrij Turaev und Thomas Rattei von der Universität Wien gelang es jedoch, das Genom eines solchen Bakteriums zu rekonstruieren.

Die Bozner Forscher Eduard Egarter-Vigl (links) und Albert Zink entnehmen der Gletschermumie eine Probe. Etwas erstaunlich: die beiläufig auf Ötzis Brustkorb abgelegte Schere.
Foto: EURAC/Marion Lafogler

Und es ist ein alter Bekannter: Helicobacter pylori. Die Hälfte der Weltbevölkerung ist von diesem Bakterium befallen, bei etwa zehn Prozent der Betroffenen löst es Beschwerden wie Magengeschwüre aus. Ob auch Ötzi unter Magenweh litt, muss Spekulation bleiben – zumindest fanden die Forscher Eiweißstoffe, die auf eine Entzündung der Magenschleimhaut hinweisen.

Viel interessanter ist für die Wissenschaft ein ganz anderer Umstand: Helicobacter dürfte seit über 100.000 Jahren im Menschen leben und hat sich mit seinem unfreiwilligen Wirt nicht nur über die Kontinente ausgebreitet, sondern auch in verschiedene Entwicklungslinien aufgespaltet. Und Ötzis Helicobacter entsprach nicht der heute in Europa verbreitetsten Variante mit gemischt asiatisch-afrikanischer Herkunft, wie die Forscher im Fachmagazin "Science" berichten, sondern weitgehend einem heute in Indien vorkommenden Bakterienstamm.

Daraus schließen die Forscher, dass die jungsteinzeitliche Bevölkerung Europas primär asiatische Wurzeln hatte. Und dass es noch nach Ötzis Ära überraschend späte Migrationsströme aus Afrika gegeben haben muss. (jdo, 8.1.2016)