Welchen Flüchtling lässt man herein, welchen weist man ab? Die Debatte um eine allfällige Obergrenze zur Aufnahme von Flüchtlingen nimmt absurde Züge an: Weist man jeden zweiten ab? Oder nur jeden dritten?

Das Menschenrecht auf Asyl sollte nicht verhandelbar sein, möchte man meinen. Und dennoch ist gerade das derzeit der Fall. Auch in Österreich, aber freilich nicht nur dort. Österreichs Innenpolitik diskutiert unter reger Anteilnahme der Öffentlichkeit darüber, ob es eine Obergrenze für die Aufnahme von Asylwerbern geben soll. Und wenn ja – so weit sind etliche Landeshauptleute bereits –, wie hoch soll diese Grenze sein, ab der man Stopp zu den Flüchtlingen sagt: 80.000, 100.000, 200.000? Tendenziell eher weniger. Wenn man den Wortführern in dieser Debatte folgt, müsste man sogar noch einen Schritt weiter gehen: Dann dürfte jedes Bundesland für sich entscheiden, wie viele Flüchtlinge es aufnimmt. Zweifellos würde ein Wettkampf eintreten, wer rigider ist, eine Lizitation nach unten wäre die Folge: je weniger Flüchtlinge, umso besser.

Die zahlenmäßige Festlegung einer Obergrenze kann es nicht geben, auch wenn das für die Politik bequemer wäre. Niemand müsste sich dann Sorgen machen, dass wir "überrannt" würden, dass uns die Arbeitsplätze und Wohnungen weggenommen würden, dass unser Sozialsystem geplündert würde. Zwangsläufig würde eine solche Entwicklung auch dazu führen, dass die Grenzen zwischen den Nationalstaaten dichtgemacht würden, wie das in Dänemark und Schweden der Fall ist, um die Obergrenzen umzusetzen – eine besorgniserregende Entwicklung.

Es stimmt, dass es so etwas wie eine faktische Obergrenze gibt, die nämlich dann erreicht ist, wenn unsere Kapazitäten, Flüchtlinge aufzunehmen und zu versorgen, erschöpft sind. Diese Kapazitäten sind (nüchtern betrachtet, nicht emotional) aber nicht erschöpft. Es ist weniger eine Frage des Könnens als eine des Wollens.

Wenn Flüchtlinge an der Grenze stehen und Asyl begehren, können sie nicht pauschal abgewiesen werden, weil angeblich schon zu viele da seien. Menschen, die entsprechende Fluchtgründe und ihre Identität glaubhaft machen können, haben ein Anrecht auf ein faires Asylverfahren, auch und gerade bei uns. Aber Österreich könnte durchaus effizienter werden.

Besser machen kann man einiges. Natürlich muss es Anstrengungen geben, die Flüchtlingsbewegungen abzuschwächen. Es liegt auch an der EU, die Außengrenzen wieder nachvollziehbar wahrzunehmen. Österreich selbst kann sich um bessere und schnellere Verfahren bemühen, wenn die Menschen erst einmal da sind. Nicht alle hereinlassen oder durchwinken, die kommen, sondern eben rasch die Angaben auf Plausibilität prüfen und so jene herausfiltern, die tatsächlich verfolgt sind und Schutz brauchen. Jene, die keine Chance auf Asyl haben, müssen effizienter abgewiesen werden. Sie müssen wieder gehen, auch wenn das Härtefälle inkludiert. Die Verfahren müssen in der Qualität besser werden, die Umsetzung der Ergebnisse muss konsequenter verfolgt werden. Darum und um die umfassende Integration jener, die bleiben dürfen, muss die Politik kämpfen.

Aber eines kann nicht sein: dass die Landeshauptleute das Gesetz in die Hand nehmen und nach Gutdünken oder politischer Kleinwetterlage entscheiden, wem Recht geschieht und wem nicht. (Michael Völker, 4.1.2016)