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Immer wieder haben in den vergangenen Wochen tausende Polen gegen die rechtsnationale PiS-Regierung und für die weitere Verbundenheit Polens mit der EU demonstriert.

Foto: REUTERS/Piotr Skornicki/Agencja Gazeta

"Wer die Medien hat, der hat die Macht" – das sagt nicht nur Jarosław Kaczyński, der Vorsitzende der rechtsnationalen Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS), das sagen inzwischen fast alle Polen. Ein neues Mediengesetz soll – wie bereits 2005 bis 2007, als die PiS schon einmal die Regierung stellte – den öffentlich-rechtlichen Rundfunk unter strikte Staatskontrolle stellen.

Seit Oktober regiert die PiS mit absoluter Mehrheit in beiden Parlamentskammern. Auch der Präsident kommt aus ihren Reihen. Anders als von 2005 bis 2007, als die PiS mit zwei Koalitionspartnern regieren musste, will sie diesmal Hindernisse schnell beiseite räumen. An Schlüsselstellen des Staats sollen parteinahe Personen sitzen, die auf Kaczynski und seine Getreuen hören. Relativ geräuschlos läuft bisher der Personalaustausch bei Polizei, Geheimdiensten, Armee, Staatsunternehmen und Ministerien ab.

200.000 Stellen betroffen

Heftigen Widerstand leistet das Verfassungsgericht, das seine Hauptaufgabe immer noch darin sieht, Gesetze auf ihre Verfassungsmäßigkeit zu überprüfen. So erklärte es die Ernennung von fünf Richtern durch das neue Parlament als verfassungswidrig. Ob dasselbe auch für die neue Geschäftsordnung des Höchstgerichts gilt, die das Parlament in einer Nachtsitzung beschlossen hat, wird das Gericht in den nächsten Tagen prüfen. Auch ein neues Beamtengesetz wurde bereits verabschiedet. Experten zufolge sind mehr als 200.000 Stellen betroffen. Für die Neubesetzung einer Beamtenstelle seien künftig weder eine öffentliche Ausschreibung noch ein Qualifikationsnachweis nötig. Das gelte auch für die künftigen Staatsmedien.

Zu jeder vollen Stunde spielt das Erste Programm des Polnischen Radios ein paar Takte der Hymne Polens oder Europas: Noch ist Polen nicht verloren und Freude, schöner Götterfunken. Doch die meisten Hörer verstehen den akustischen Protest gegen das neue Mediengesetz gar nicht, folgt doch gleich danach die übliche Erkennungsmelodie des Radios und dann die trockene Ansage der Nachrichten. "Wir können gar nichts tun", sagt ein Radiojournalist, der seinen Namen lieber nicht gedruckt sehen möchte: "Jetzt wird eben wieder gesäubert, und wer nicht für die Partei ist, fliegt raus. So einfach ist das."

Für Dawid Jackiewicz, den Schatzminister Polens, stellt sich die Lage ganz anders dar. Er wird demnächst die Aufsicht über die neuen "nationalen Kulturinstitute" ausüben, in die die öffentlich-rechtlichen Sender umgewandelt werden sollen. "Der Medienmarkt muss vollkommen neu geregelt werden", ist er überzeugt. Das Gesetz, das im Eiltempo durch Sejm und Senat gejagt wurde, sei lediglich eine "kleine Novelle". Die eigentliche Neuregelung des gesamten Medienmarktes brauche etwas mehr Zeit. In rund zwei bis drei Monaten werde die PiS dann das große Mediengesetz vorlegen.

Konflikt mit Brüssel

Das Mediengesetz ist ein weiterer Streitpunkt in der jüngsten Auseinandersetzung zwischen Warschau und der Europäischen Union. EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker hat für die Sitzung am 13. Jänner eine Debatte über den Zustand des polnischen Rechtsstaats auf die Tagesordnung gesetzt. Der für Medienpolitik zuständige EU-Kommissar Günther Oettinger sieht ebenfalls Gefahren für die Pressefreiheit.

Polens Außenminister Witold Waszczykowski wehrt sich gegen die Kritik: "Wir wollen lediglich unseren Staat von einigen Krankheiten heilen, damit er wieder genesen kann", sagte er der "Bild"-Zeitung vom Montag und beschwor "traditionelle polnische Werte". Am Politikkonzept der Vorgängerregierung ließ der Außenminister kein gutes Haar: "Als müsse sich die Welt nach marxistischem Vorbild automatisch in nur eine Richtung bewegen – zu einem neuen Mix von Kulturen und Rassen, eine Welt aus Radfahrern und Vegetariern, die nur noch auf erneuerbare Energien setzen und gegen jede Form der Religion kämpfen." (Gabriele Lesser aus Warschau, 5.1.2016)