Reines Wasser statt Alkohol – Bewegung statt Bequemlichkeit – Gemüse statt Fleisch: Alle Jahre wieder startet das Jahr mit guten Vorsätzen. Geändert hat sich nur die Bezeichnung: Sie lautet Detox.

Foto: iStock.com

Wien – Oscar-Preisträgerin Gwyneth Paltrow tut es. Auch Top-Model Kate Moss schwört darauf – ebenso wie Hollywood-Ikone Cate Blanchett. Sie alle sind überzeugt, durch Detoxing, das regelmäßige Entgiften des Körpers, nachhaltig gesund, fit und schlank zu bleiben. Ein Trend, der in den USA geboren wurde und während der vergangenen vier, fünf Jahre den Weg quer durch Europa gefunden hat.

Warum nicht mit einer mehrwöchigen Entgiftungskur ins neue Jahr starten? Immerhin fasst ein Drittel der Österreicher gute Vorsätze: Mehr Sport, gesünderes Essen, weniger Alkohol stehen Umfragen zufolge an oberster Stelle.

Wer Detoxing im US-Verständnis ausprobieren will, für den heißt es: püriertes Obst und Gemüse statt Gebratenes und Frittiertes, Detox-Yoga statt österreichischer Gemütlichkeit, Kräutertee statt Alkohol, Darmspülung statt Verstopfungen. Zusätzlich sollen reinigende Produkte wie antioxidative Smoothies, Aktivkohle, Mineralwasser, Shampoos und Peelings für einen sauberen Körper sorgen, und zwar innen wie außen. "Das sind Detox-Märchen. Es gibt keine Studien, die den Nachweis erbracht hätten, dass derartige Mittel die Leistungsfähigkeit von Entgiftungsorganen wie beispielsweise der Leber verbessern", sagt Kurt Widhalm, Präsident des Akademischen Instituts für Ernährungsmedizin in Wien. Auch die Forscher am Department für Evidenzbasierte Medizin und Klinische Epidemiologie der Donau-Uni Krems konnten bislang keine seriösen Studien zu Detox finden. "Ein Hauptproblem liegt in der fehlenden Definition des Begriffs", moniert Widhalm. Denn was nicht klar benannt ist, könne auch nicht wissenschaftlich untersucht werden. Allerdings nahmen britische Forscher der gemeinnützigen Stiftung Sense about Science im Jahr 2009 15 Detox-Mittel genauer unter die Lupe – von Getränken bis zur Körperpflege. Das Ergebnis: Sämtliche Produkte wurden als wirkungslos eingestuft.

Etikettenschwindel

Das vielfach kritisierte Fehlen wissenschaftlicher Evidenz will der Wiener Ernährungsmediziner und Gynäkologe Christian Matthai, der zwei Bücher über Detox veröffentlicht hat, nicht gelten lassen: "Es gibt etliche Studien, die zeigen, dass bestimmte Lebensmittel die Produktion von Entgiftungsenzymen der Leber fördern." Dazu zählen beispielsweise Artischocken, Goji-Beeren, Grapefruits, Mangostane, Rote Rüben, Zwiebel, Knoblauch, Karfiol, Brokkoli und verschiedene Krautsorten. Für den Abbau von Alkohol eigne sich besonders Ingwer. Der Mediziner räumt allerdings ein, "dass mit Detox viel Schindluder betrieben wird." So wird das Entgiften häufig "als Diät missbraucht", etwa in Form einer ein- bis dreiwöchigen Saftkur. "So etwas ist nicht ratsam. Denn durch die fehlende Eiweißzufuhr, kommt es allein schon durch den Abbau von Muskulatur zu einem Gewichtsverlust", ergänzt der Mediziner.

Sein Gegenkonzept: eine nachhaltige Änderung der Ernährungsgewohnheiten. "Wer gerne Alkohol trinkt, sich schlecht ernährt, Konservierungs- und Farbstoffe, Geschmacksverstärker und Pestizide über die Nahrung aufnimmt, der sollte verstärkt auf Lebensmittel setzen, die seine Entgiftungsorgane unterstützen", verdeutlicht Matthai seinen Ansatz. Auch von Praktiken wie Einläufen oder Darmreinigungen, die häufig unter dem Etikett Detox firmieren, hält der Ernährungsmediziner wenig. "Den Darm komplett zu entleeren bringt aus medizinischer Sicht nichts." Den Magen-Darm-Trakt durch hypokalorische Ernährung (energiearme Kost, Anm.) zu entlasten ist eine Empfehlung, der auch Kurt Widhalm etwas abgewinnen kann. "Das tut dem Organismus gut."

Für die Leber

Als reinigende Lösung bieten Hersteller auch Detox-Präparate an, die den schädigenden Effekt übermäßigen Alkoholkonsums unschädlich machen sollen. "Bei Detox geht es nicht darum, die Silvesterparty wieder wettzumachen. Solche Produkte sind allein deshalb schon nicht empfehlenswert, weil sie Menschen verleiten, mehr Alkohol zu trinken", betont Matthai.

Ein ähnlicher psychologischer Effekt zeigte sich zumindest in Studien mit Patienten, die cholesterinsenkende Medikamente benötigen. Christian Matthai dazu: "Menschen, die Statine einnehmen, neigen tendenziell eher dazu, sich cholesterin- und fetthaltiger zu ernähren." Detox-mäßig ist das eine große Sünde, würden Gwyneth Paltrow, Kate Moss und Cate Blanchett sagen. (Günther Brandstetter, 2.1.2016)