Für noch strengeres Durchgreifen bei unbedingten Freiheitsstrafen: Der Zweite Nationalratspräsident Karlheinz Kopf (ÖVP).

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Für ÖVP-Klubchef Reinhold Lopatka sind die Verhandlungen jedoch abgeschlossen.

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Verfassungsrechtler Heinz Mayer plädiert jedoch auch für einen Mandatsverlust "bei jeder unbedingten Haftstrafe".

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Ebenso der Anti-Korruptionsspezialist Franz Fiedler: "Bei unbedingten Haftstrafen geht um ein Signal an die Öffentlichkeit."

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Wien – Die strengeren Regeln für verurteilte Politiker, wie sie Rot, Schwarz und das Team Stronach ab Mitte dieses Jahres vorsehen, sind gewichtigen Parlamentariern und Experten zu milde. Via Vorarlberger Nachrichten sprach sich der Zweite Nationalratspräsident Karlheinz Kopf (ÖVP) für noch niedrigere Hürden für einen Amtsverlust aus, denn: "Wenn jemand wegen eines Vorsatzdelikts zu einer unbedingten Haftstrafe verurteilt wird, dann hat er nach meinem Verständnis zu gehen."

Neue Debatte bei der ersten Verurteilung befürchtet

Angesichts der neuerlichen Entgleisung von Susanne Winter – die Ex-FPÖ-Abgeordnete, nun wilde Mandatarin hatte auf Facebook einem antisemitischen Posting über "Geld-Juden" beigepflichtet -, haben sich SPÖ, ÖVP und das Team Stronach auf einen Entwurf verständigt, wonach strafauffällig gewordene Parlamentarier künftig leichter ihr Mandat verlieren sollen. In Anlehnung an das Dienstrecht der Beamten sieht die Drei-Parteien-Einigung vor, dass davon Abgeordnete betroffen sein sollen, die wegen einer vorsätzlich begangenen Straftat zu mehr als sechs Monaten Haft bzw. zu einer bedingten Freiheitsstrafe von mehr als einem Jahr verurteilt wurden. Kopf befürchtet, dass bei der ersten Verurteilung eines Abgeordneten "etwa zu fünf Monaten" die Debatte über strengere Konsequenzen von Neuem losbricht: "Es kann ja wohl nicht sein, dass jemand fünf Monate lang aus dem Gefängnis aus zu den Nationalratssitzungen kommt", so sein Einwand.

Für Lopatka sind Verhandlungen abgeschlossen

Ob die Bedenken seines Parteikollegen Anlass dafür sind, die neuen Regelungen doch noch zu überarbeiten? "Nein, das wird nicht der Fall sein", erklärt ÖVP-Klubchef Reinhold Lopatka dem STANDARD. Für ihn "sind die Parteienverhandlungen eigentlich abgeschlossen". Von den strengeren Auflagen sind übrigens nicht nur für straffällig gewordene Abgeordnete, sondern auch Regierungsmitglieder, der Bundespräsident, Landeshauptleute und andere oberste Organe bei entsprechenden Verurteilungen erfasst.

Neue Fälle, neue Kritiker

Doch nicht nur den Grünen, auch renommierten Juristen geht das zu wenig weit. Der Verfassungsrechtler Heinz Mayer prophezeit ähnlich wie Kopf: "Jede Grenzziehung bei Verurteilungen wird neue Kritiker auf den Plan rufen." Auch er plädiert daher für einen Mandatsverlust "bei jeder unbedingten Haftstrafe." Nicht zuletzt auch deswegen, weil "in der Strafpraxis" bei Vergehen selten nur wenige Monate unbedingte Haft, sondern eher Geldstrafen verhängt werden – "um die Betroffenen nicht aus dem Beruf herauszureißen", weiß Mayer. Franz Fiedler, Ehrenpräsident des Beirats von Transparency International und früher selbst Staatsanwalt, hielte es daher für "ein gutes Signal an die Öffentlichkeit", wenn Mandatsträger mit einer unbedingten Strafe auch unbedingt ihren Sessel im Parlament räumen müssen.

Auch Fahrlässigkeit bedenklich

Und auf noch ein Detail machen die beiden Experten aufmerksam: Derzeit sieht der koalitionäre Entwurf mit dem Team Stronach bei vorsätzlich begangenen Straftaten strengere Regeln vor. Mayer würde diese Einschränkung "weglassen", denn auch bei aus Fahrlässigkeit begangenen Delikten sollte Politikern der Amtsverlust drohen – "etwa, wenn einer alkoholisiert gleich mehrere Leute überfährt". Fiedler kann sich ebenfalls einen Katalog an folgenreichen Fahrlässigkeitsdelikten für Amtsträger vorstellen: "Allerdings müssten diese explizit ausgeführt werden", erklärt er, "denn nicht jeder Verkehrsunfall mit Todesfolge soll automatisch mit Mandatsverlust bedroht sein." (Nina Weißensteiner, 2.1.2016)