Bild nicht mehr verfügbar.

Blick auf Camp Delta, den Hauptkomplex des US-Gefangenenlagers in der Guantánamo-Bucht auf Kuba. Seit Jahren wird international die Schließung des umstrittenen Lagers gefordert.


Foto: AP / Linsley

Es ist ein Paukenschlag, aber noch lange nicht das Ende des Lagers Guantánamo. Nach den Absichten des Pentagons sollen noch im Jänner 17 Gefangene auf einmal aus dem Camp entlassen werden, die größte Gruppe, seit Barack Obama ins Weiße Haus einzog. Verteidigungsminister Ashton Carter hat bereits grünes Licht gegeben und den Kongress informiert.

Präsident Barack Obama bleiben noch 13 Monate, um sein Versprechen zu erfüllen und das Gefängnis zu schließen. An deutlichen Worten hat er es nicht fehlen lassen: Nach seiner Überzeugung "schwächt Guantánamo unsere nationale Sicherheit, indem es Ressourcen bindet, unserem Verhältnis mit Verbündeten und Partnern schadet und Extremisten anstachelt". Dass er sich im letzten seiner acht Amtsjahre zu einer Art Befreiungsschlag entschließt und sich über alle Widerstände der Legislative hinwegsetzt, ist theoretisch noch immer möglich, nur gibt es kaum einen in Washington, der damit rechnet.

Problemfall Jemen

Ein Problem ist: Das Oval Office kann sich nicht dazu durchringen, die 39 Gefangenen, die aus dem Jemen stammen und seit langem zur Freilassung vorgesehen sind, in ihre Heimat zurückzuschicken. Der Jemen ist ein Bürgerkriegsland, an der Pennsylvania Avenue geht die Angst um, die Rückkehrer könnten sich wieder jihadistischen Gruppierungen anschließen. Also müssen die Männer vorerst in Guantánamo bleiben. Einige von ihnen sitzen bereits seit dem 11. Jänner 2002 dort ein, dem Tag, an dem das Gefängnis, damals noch aus den berüchtigten Gitterkäfigen des Camps X-Ray bestehend, eröffnet wurde.

Von den übrigen Häftlingen gelten 27 als Terrorverdächtige, die zwar aus Mangel an Beweisen nicht vor ein Gericht gestellt werden können, gleichwohl für zu gefährlich gehalten werden, als dass sie auf freien Fuß gesetzt werden könnten. Das Pentagon nennt sie "unbefristet Inhaftierte". Gegen sechs, allen voran Khalid Scheich Mohammad, der mutmaßliche Drahtzieher der Anschläge vom 11. September 2001, wird vor einer Militärkommission verhandelt. Das Verfahren zieht sich schon seit dreieinhalb Jahren hin, ohne dass ein Ende absehbar wäre. 22 Insassen sollen irgendwann vor einen Richter in Uniform gestellt werden; konkrete Termine gibt es noch nicht.

Massive Widerstände

Um das Lager räumen zu können, müsste Obama also mehr als 50 Insassen aufs amerikanische Festland verlegen – womit er im Parlament gegen Wände läuft. Bereits 2009 spielte er mit dem Gedanken, eine Haftanstalt in Thomson, einem Mississippi-Dorf in Illinois, zu einem Hochsicherheitstrakt auszubauen, um sie als Guantánamo-Ersatz zu nutzen. Prompt sperrte der Kongress die benötigten Mittel. Derzeit sind drei weitere Varianten im Gespräch, zwei Militärgefängnisse in Kansas und South Carolina sowie ein ziviles in Colorado. Dass es anders ausgeht als bei der Causa Thomson, muss allerdings bezweifelt werden.

Regelmäßig hat die Legislative Passagen in Haushaltsgesetze einfließen lassen, nach denen für den Transfer von Häftlingen aus Kuba kein Geld ausgegeben werden darf. Es sind bei weitem nicht nur die Republikaner, die sich gegen eine Überstellung in die USA sträuben, auch wenn aus ihren Reihen die lautesten Proteste kommen. Im November, als der Senat mit dem "National Defense Authorization Act" fürs nächste Finanzjahr den Guantánamo-Passus ein weiteres Mal erneuerte, schlossen sich auch die meisten Demokraten dem Votum an. Die einzigen Gegenstimmen kamen von Bernie Sanders, dem linken Präsidentschaftskandidaten, sowie von Jeff Merkley und Ron Wyden, den Senatoren des liberalen Pazifikstaats Oregon.

Mit derselben Regelmäßigkeit, wie der Kongress einen Strich durch Obamas Rechnung macht, bringt der Präsident den Sparfaktor ins Spiel: Jede Alternative zu Guantánamo wäre deutlich billiger. Die Kosten für Unterbringung und Bewachung eines einzelnen Gefangenen auf dem US-Stützpunkt in der Karibik werden auf drei Millionen Dollar pro Jahr geschätzt, das 115-Fache dessen, was der Fiskus für einen "normalen" Häftling in einem Bundesgefängnis berappen muss. Guantánamo, so viel steht außer Zweifel, ist der teuerste Knast der Welt. (Frank Herrmann aus Washington, 31.12.2015)