Familie, das ist auch Frau, Frau und Kind. Das Verfassungsgericht hat lesbischen Paaren zur rechtlichen Basis dafür verholfen, auch Eizellenspenden sind seither möglich.

Foto: iStock/flySnow

Spender Inaki ist 170 cm groß und wiegt 63 Kilogramm. Sein Bart ist schwarz, der Körper athletisch. Gesichtsform oval, Hautton olive, Lippen voll. Und: Er ähnelt dem Schauspieler Bruce Lee. "Hier klicken für Fotos von Bruce Lee", ermuntert die weltgrößte Samenbank "Cryos" all jene, die auf dem Weg der künstlichen Befruchtung zur erhofften Elternschaft gelangen wollen.

Inaki heißt in Wahrheit nicht Inaki, so viel Anonymität muss sein. Darüber hinaus gibt er mit Kindheitsfotos, Familienstammbaum, Schrift- und Hörproben sowie Antworten auf Fragen wie "Welche Werte zählen für dich?" Einblick und gleichzeitig Ausblick auf die Optionen, die sein Erbmaterial der potenziellen Nachkommenschaft eröffnet.

Auch die 39-jährige Renée heißt nicht Renée, will für diesen Artikel aber lieber einen anderen Namen annehmen. Seit Jahren wälzt die Wienerin Gedanken über die Gründung einer Familie, die zusätzlich zu Partnerin Ana auch Kinder umfasst. Bis dato ein schier unmögliches Unterfangen in Österreich, wo das sogenannte Fortpflanzungsmedizingesetz erst seit Februar 2015 auch gleichgeschlechtlichen Paaren den Zugang zu künstlicher Befruchtung gewährt – übrigens erst nach höchstgerichtlichem Druck. Aber auch heute, rund ein Jahr nach Beschlussfassung der Neuregelung im Parlament, steht das Paar vor einer Reihe offener Fragen. Eine der wichtigsten: Wie finden wir den passenden Spender?

Auswahlkriterien

Renée lebt hier mit Ana in eingetragener Partnerschaft, in den USA, beiden viele Jahre Wahlheimat, sind die beiden verheiratet. Aufgrund des interkulturellen Backgrounds der Beziehung sucht man einen zumindest halbasiatischen Spender. Und hier, so empfinden es die beiden, ist laut österreichischem Gesetz auch schon wieder Schluss mit der Wahlfreiheit. Auswahlkriterien, wie sie Cryos oder die European Sperm Bank bereitwillig zur Verfügung stellen, können hierzulande nur oberflächlich definiert werden. Eine zentrale Samenbank gibt es nicht, jede Klinik, an der eine In-vitro-Fertilisation oder Insemination durchgeführt wird, muss auf ihren eigenen, überschaubaren Spenderkreis zurückgreifen.

Bettina Stadlbacher vom Kinderwunschzentrum im Goldenen Kreuz in Wien ist Renée und Ana bei der Spendersuche behilflich, ein Job, der durch die Neuerungen im Gesetz noch mehr an emotionaler Verantwortung gewonnen hat. Es sind Stadlbacher und ein Team biomedizinischer Analytikerinnen, die letztlich entscheiden, welcher Spender zu welchem Empfängerpaar (alleinstehende Frauen sind nach wie vor von der künstlichen Befruchtung ausgeschlossen) passt.

Wie bei jedem Paar wird dieser anhand bestimmter Merkmale wie Augenfarbe, Haarfarbe, Blutgruppe, Größe, Gewicht, Beruf, Interessen und Ausbildung selektiert. Stadlbacher: "Vor der Gesetzesnovelle habe ich nicht so engen Kontakt zu den Paaren gehabt. Heterosexuelle Paare wollten nicht so viele Informationen über den Spender." Bei lesbischen Paaren sei das anders. Aktuell hat das Kinderwunschzentrum rund 40 aktive Samenspender, allerdings: kein einziger mit asiatischen Wurzeln. "Das Werbeverbot macht es uns schwer, neue Spender zu rekrutieren", sagt Stadlbacher.

Auch im persönlichen Kontakt versuchten Renée und Ana bereits einen Spender aufzustellen. Das Problem: "Einer wollte aktiver Vater sein", ein anderer sprang nach anfänglicher Begeisterung doch wieder ab, berichtet Renée.

Schwierige Suche

Bleibt der Weg über internationale Megasamenbanken? Jein. Einerseits hegt das Paar hier ethische Bedenken, weil etwa Cryos auch an Private liefert, das Risiko zahlreicher Halbgeschwister für den eigenen Nachwuchs unüberschaubar werde. Auch habe man keine Garantie, dass ein Kind nach vollendetem 18. Lebensjahr Kontakt zum Spender aufnehmen kann, wie von Cryos versprochen. Zudem: Rechtlich sieht man sich im Goldenen Kreuz die Hände gebunden: "Wir können nicht auf Cryos zugreifen, denn wir müssen jeden Spender persönlich aufklären", sagt Heinz Strohmer, Leiter des Kinderwunschzentrums und ärztlicher Kontakt des Paares. Renées Option: Samen trotzdem bestellen, die gesamte Vorbereitung in Österreich absolvieren und für die Implantation selbst in die Partnerklinik nach Bukarest ausweichen. Ein Nachteil von vielen: Das kostet – zusätzlich. Zugang zum IVF-Fonds haben gesunde lesbische Paare nicht.

Und dann das: Am 25.12. berichtet der "Kurier" von der Geburt des ersten In-vitro-Babys lesbischer Eltern. Den Samen bestellten die Tirolerinnen von Cryos.

Renée ist verunsichert. Schon bisher empfindet sie die Erfüllung ihres sehnlichsten Wunsches "wie ein wissenschaftliches Projekt", das man allein umsetzt. Mit dem Wissen über den Tiroler Weg sei wieder alles anders. Weil Renée und Ana aber im Jänner ihren ersten Versuch starten wollen, haben sie jetzt via Inserat ein letztes Mal in Österreich gesucht. Über 20 Männer haben sich gemeldet, jetzt sind sie dabei, die ersten potenziellen Spender zu treffen. (Karin Riss, 29.12.2015)