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Tihomir Orešković überrascht als Kroatiens designierter Premier. Der Pharmamanager spricht nur gebrochen Kroatisch.

Foto: Reuters/Antonio Bronic

"Singt dem Herrn ein neues Lied, denn er hat Wunder getan! Er, der heilige Gott, hat einen gewaltigen Sieg errungen", zitierte der designierte kroatische Premier Tihomir Orešković zu Weihnachten auf seinem Facebook-Profil den Psalm 98.

Tatsächlich scheint es nach wochenlangen Verhandlungspirouetten, Intrigen und Geheimabsprachen wie ein Wunder, dass Kroatien überhaupt noch eine Regierung bekommt. Noch verwunderlicher ist für viele, dass der unbekannte Herr Orešković diese anführen soll. Doch der als ruhig und gebildet geltende Tihomir – auf Deutsch Stillfried – ist in Kreisen der konservativen HDZ seit längerem im Gespräch. Allerdings nicht als Premier, sondern als Finanzminister.

Nachdem aber der uncharismatische HDZ-Chef Tomislav Karamarko bei den Wahlen schlecht abschnitt und nun ein unpopuläres Sparprogramm bevorsteht, ist man in der HDZ ziemlich froh, dass jetzt der 59-jährige parteilose Pharma-Manager den undankbaren Job übernehmen wird.

Orešković wurde zwar in Zagreb geboren, doch bereits als er eineinhalb Jahre alt war, zogen die Eltern nach Kanada. Deshalb spricht er ein merkwürdiges Kroatisch. In seiner ersten Rede am Mittwoch grüßte er nicht die Bürger ("gradjani"), sondern die Gebäude ("gradjevine") Kroatiens. Sein Akzent sei noch das geringste Problem, vielmehr mache ihm noch die Syntax zu schaffen, urteilen nun Kroaten.

Die Diaspora in Kanada – etwa 100.000 Leute – ist trotz dieser Mängel in Kroatien einflussreich. Orešković gehört aber nicht zu dem erzkonservativen Old-Boys-Netzwerk, das in den 1980er-Jahren dort entstand. Er freundete sich allerdings Ende der 1990er-Jahre mit einer aufstrebenden Diplomatin an, die an der kroatischen Botschaft in Kanada arbeitete: der heutigen Präsidentin Kolinda Grabar-Kitarović.

Als man nun nach einem Kompromisskandidaten suchte, der für die HDZ und die Junior-Partei Most den Regierungschef spielen könnte, fiel der Name des Finanzchefs des Pharmaunternehmens Pliva, der erst 2009 nach Zagreb gezogen war. Grabar-Kitarović soll ihm vor einem halben Jahr geholfen haben, hier eine Wohnung zu kaufen. Obwohl er parteilos ist, ist Orešković vor allem also ein Premier von Kolindas Gnaden.

Doch er ist ohnehin ein Mann der zweiten Reihe, kein Politikertyp oder Visionär. Seinem Hobby, dem Lachsfischen, wird der vierfache Vater nun aber trotzdem wohl längere Zeit nicht nachgehen können. (Adelheid Wölfl, 27.12.2015)