Aus Sicht von Ex-ÖIAG-Aufsichtsrätin Brigitte Ederer gibt es keinen sachlichen Grund für die OMV, mit der russischen Gazprom Vermögenswerte zu tauschen. Kritik äußert sie in der Causa auch an der dürftigen Kommunikationspolitik von OMV-Chef Rainer Seele.

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ÖBB-Aufsichtsratschefin Brigitte Ederer äußert deutliche Kritik an den Plänen der OMV-Geschäftsführung. Es bereite ihr Sorgen, dem russischen Energiekonzern Gazprom zugunsten der Erschließung eines sibirischen Gasfeldes Vermögenswerte an dem österreichischen Öl- und Gasunternehmen zu überlassen. Das laufe auf eine Zerschlagung des Konzerns hinaus, und dafür gebe es keine sachlichen Gründe, sagt Ederer im STANDARD-Interview.

Sie befürchtet, dass der 31,5-prozentige Staatsanteil an der OMV demnächst "auf kaltem Weg" privatisiert werde. Das Öl- und Gasgeschäft würde an Gazprom gehen, die Beteiligung am Kunststoffhersteller Borealis an den Koaktionär aus Abu Dhabi. Die Bundesregierung sollte solche Deals unterbinden, zumal es keinen Privatisierungsauftrag gebe.

Die frühere SPÖ-Staatssekretärin war jahrelang Vorstandsmitglied bei Siemens, saß im Aufsichtsrat der Staatsholding ÖIAG (Öbib) und ist jetzt ÖBB-Aufsichtsratschefin. Bei OMV-Konzernleiter Rainer Seele kritisiert Ederer dessen undurchsichtige Kommunikationspolitik, da er stets auf Geheimhaltung unter Rücksichtnahme auf Russland poche. "Es geht nicht um das Privatvermögen des Herrn Seele, sondern um strategische Interessen der Republik", sagt Ederer.

STANDARD: Die OMV steht kurz vor einem Tauschgeschäft mit der russischen Gazprom: österreichische Vermögenswerte gegen die Beteiligung an einem Gasfeld in Sibirien. Die Arbeiterkammer fürchtet einen "Ausverkauf" der OMV. Sie haben schon vor rund einem Jahr davor gewarnt. Fühlen Sie sich bestätigt?

Ederer: Allerdings. Ich saß damals im Expertengremium zur Neuordnung der ÖIAG, heute Öbib, und habe gewarnt: Ich sehe keinerlei Gründe für neue Privatisierungen. Und ausdrücklich habe ich gesagt: Wenn man nicht aufpasst, wird die OMV demnächst auf kaltem Wege privatisiert werden. Und so wie es aussieht, hat sich diese Gefahr jetzt verstärkt.

STANDARD: Wo sahen Sie damals die Gefahr?

Ederer: Ich habe damals schon gesagt, und ich fürchte, ich habe recht behalten: Das Öl- und Gasgeschäft der OMV wird immer mehr an die russische Gazprom gehen, und die sehr erfolgreiche Borealis-Beteiligung wandert an Abu Dhabi. Für beides gibt es keine sachlichen Gründe: Russland hat großes Interesse, in Westeuropa Fuß zu fassen. Da ist es nicht notwendig, ihnen eine österreichische Beteiligung noch nachzuschmeißen. Und Borealis ist mit seinen Produkten in einer bestimmten Nische Weltmarktführer – warum soll man ein solch wertvolles Filetstück verkaufen?

STANDARD: Sie haben aus Protest gegen den Verkauf von knapp 60 Prozent der Telekom Austria an den mexikanischen Milliardär Carlos Slim und seine América Móvil Ihr ÖIAG-Aufsichtsratsmandat zurückgelegt ...

Ederer: Und der gesamte Vorgang erinnert mich fatal an die Telekom-Geschichte. Teilweise sind im Hintergrund ja auch immer noch dieselben Leute tätig. Erst redet man das Unternehmen schlecht, spricht von riesigen Problemen. Im Nachhinein betrachtet waren die Dividendenzahlungen der Telekom sicherlich zu hoch, man hat auf die Substanz zurückgegriffen. Und dann sagt man, um Arbeitsplätze zu sichern, um das Unternehmen neu und besser aufzustellen, braucht es diese Beteiligung. Und am Ende befinden sich die wesentlichen Teile der österreichischen Infrastruktur in ausländischer Hand.

STANDARD: Und wie läuft es bei der OMV?

Ederer: Hier ist immer die Rede davon, man müsse für Österreich "Versorgungssicherheit" herstellen. Als ob es irgendeinen Grund gäbe, dass uns Russland das Gas abdreht. Österreich hat seine Rechnungen immer gezahlt, wir sind ein strategisch wichtiger Partner in Richtung Westeuropa – hier gibt es kein Bedrohungsszenario. Schon gar keines, das den Verkauf österreichischer Infrastruktur, etwa der Raffinerien Schwechat oder Burghausen oder des österreichischen Gasfernleitungsnetzes Gas Connect Austria, rechtfertigen würde. Dazu kommt, dass es auch EU-Politik ist, bei der Gasversorgung Europas den russischen Einfluss eher zurückzudrängen.

STANDARD: Aus Sicht der OMV ist aber die Erschließung neuer Erdgasfelder essenziell.

Ederer: Die Frage ist schon, ob ich dafür eine Minderheitsbeteiligung an einem Feld in Sibirien brauche. Denn wie gesagt: Russland hat jedes Interesse, nach Westeuropa zu liefern. Tatsache ist aber, die OMV will sich zu knapp 25 Prozent in einem Gasfeld in Westsibirien einkaufen. Das will oder kann man aber nicht bar bezahlen, also soll es zu einem Asset-Deal mit österreichischen Vermögenswerten kommen. Ich weiß nicht, wie wertvoll dieses Gasfeld ist, die Bewertung erfolgt ja geheim. Der Öffentlichkeit ist diese Information leider nicht zugänglich.

STANDARD: Es heißt, es werde eine gemeinsame Tochtergesellschaft gegründet, um das Gasfeld auszubeuten.

Ederer: Die Gazprom wäre aber auf jeden Fall beteiligt, während der OMV-Anteil unter 25 Prozent läge. Und das eigentliche Problem ist aus meiner Sicht, dass Gazprom der alleinige Abnehmer wäre, und das zu Inlandspreisen. Die Preisgestaltung entscheidet dann allein Gazprom als De-facto-Monopolist. Aber vieles weiß man nur von Hörensagen, es herrscht große Geheimhaltung.

STANDARD: Kritisieren Sie die Kommunikationspolitik von OMV-Chef Rainer Seele?

Ederer: Er sagt immer, er müsse mit Rücksicht auf die russische Seite auf Geheimhaltung pochen, das habe er sich so ausgemacht. Aber hier geht es ja nicht um das Privatvermögen des Herrn Seele, sondern um strategische Interessen der Republik, wo man sich nicht einfach bilateral etwas ausmachen kann.

STANDARD: Was spricht dagegen, das Gasfernnetz in Österreich zu privatisieren?

Ederer: Vieles. Die Gas Connect besitzt über 900 Kilometer Gasleitungen in Österreich, das ist eine Drehscheibe für die Gasverteilung in Europa. Das ist ein Herzstück der Gasinfrastruktur. Und die Aussagen der OMV-Führung dazu sind höchst widersprüchlich: Einerseits heißt es, die OMV könne keinen unternehmerischen Einfluss ausüben, weil die EU dieses Geschäft derart stark reguliere, andererseits habe man 100 Bewerber dafür. Da frage ich mich schon: Warum bewerben sich so viele Unternehmen für die Gas Connect? Es handelt sich hier um ein hochprofitables Geschäft, das habe ich mir angesehen. Und da stellt sich schon die grundsätzliche Frage: Wieso verkaufe ich so etwas überhaupt? Ich meine, man sollte das überhaupt nicht angreifen. Das gehört zur wichtigsten Infrastruktur Österreichs.

STANDARD: Fürchten Sie eine Filetierung der OMV?

Ederer: In der Tat. Ich fürchte, dass das Öl- und Gasgeschäft à la longue an die Russen geht, der Chemiezweig mit Borealis als Ausgleich zur Gänze an den Staatsfonds von Abu Dhabi.

STANDARD: Soll die Bundesregierung, konkret der Finanzminister, den Deal verhindern?

Ederer: Ich würde mir das wünschen, auch wenn das schwierig erscheint. Da es keinen Privatisierungsauftrag gibt, passiert das alles über die Hintertür, über Eigentumstausch. Dem Finanzminister wird versprochen, es gibt weiter Geld fürs Budget. Die OMV hat im Vorjahr eine Dividende von 409 Millionen Euro ausgezahlt, die Republik bekommt gemäß ihrem Anteil 31,5 Prozent. Das ist, kurzfristig betrachtet, beruhigend. Vielleicht schaut das alles aus Sicht der Politik nicht so dramatisch aus. Das ist es aber: Hier geht es um tausende Arbeitsplätze und um die Frage, wo ein Unternehmen sein Hauptquartier hat. Die OMV ist das größte börsennotierte Unternehmen Österreichs. Und um dieses mache ich mir große Sorgen. (Petra Stuiber, 28.12.2015)