Gewimmel in einer Albicetus-Schule – vorausgesetzt, sie verhielten sich ähnlich wie heutige Pottwale.

Illustration: A. Boersma

Washington – Von den heute lebenden 73 Zahnwal-Arten gehören fast alle zur großen Verwandtschaft der Delfinartigen. Von deren Schwestergruppe, den Pottwalen (Physeteridae), gibt es heute nur mehr drei Arten. Und die dürften nicht einmal sonderlich repräsentativ für diese einstmals viel größere Gruppe sein, berichten US-Forscher im Fachmagazin "PLOS ONE".

Alexandra Boersma und Nicholas Pyenson vom National Museum of Natural History der Smithsonian Institution untersuchten ein 15 Millionen Jahre altes Pottwal-Fossil aus Kalifornien. Die Spezies war 1925 erstmals anhand eines unvollständigen Funds beschrieben worden und erhielt den Namen Ontocetus oxymycterus. Nach diversen Verwirrungen und falschen Zuordnungen steht die Gattung Ontocetus mittlerweile jedoch für ausgestorbene Verwandte des Walrosses.

Kiefer von Albicetus
Foto: Jame Di Loreto, Smithsonian

Boersma und Pyenson haben die Spezies nun einer neu eingerichteten Pottwal-Gattung zugeordnet: Albicetus, wörtlich "weißer Wal" – eine Hommage an Moby Dick, dessen Geschichte durch die Verfilmung von Nathaniel Philbricks Sachbuch "Im Herzen der See" unlängst wieder einen Popularitätsschub erhalten hat.

Die beiden Forscher untersuchten Größen- und Verwandtschaftsverhältnisse von Albicetus und kamen zum Schluss, dass sich innerhalb der Pottwalfamilie mehrfach unabhängig voneinander Arten von beträchtlicher Größe entwickelt haben müssen. Livyatan melvillei etwa erreichte mit über 17 Metern Länge fast die Ausmaße eines heutigen Pottwals, Brygmophyseter kam immerhin noch auf sieben Meter. Neben den Großwalen existierten dann noch diverse kleinere Arten – wie heute die beiden Zwergpottwalarten, die jeweils nur etwa drei Meter lang sind.

Volle Meere

Die Mehrheit der ausgestorbenen Arten – auch Albicetus – hatte jedoch ein Merkmal, das sie von den heutigen Pottwalen unterschied: ein viel mächtigeres Gebiss. Daraus schließen die Forscher, dass diese Tiere ein anderes Beuteschema hatten. Sie machten nicht wie heutige Pottwale hauptsächlich auf Kopffüßer Jagd, sondern auf andere Meeressäuger – eine etwas zähere Beute.

Boersma vermutet, dass nicht nur die Zahl und Artenvielfalt von Pottwalen, sondern von Meeressäugern generell früher deutlich größer war als im Zeitalter des Menschen. Zu Lebzeiten von Albicetus, im mittleren Miozän, könnte sich die Fülle des Lebens sogar auf einem Höchststand befunden haben. (jdo, 5. 1. 2016)