Gustav Klimt malte mehrere Apfelbäume. Ob dieser (von 1916) einst Nora Stiasny (geb. Zuckerkandl) oder Elisabeth Bachofen-Echt (geb. Lederer) gehörte, versucht man derzeit zu klären.

Foto: Archiv Belvedere

Von wem und wann Gustav Ucicky Klimts "Apfelbaum II" erwarb ist unbekannt. In den 1950er Jahren schmückte das Gemälde das Wohnzimmer des Filmregisseur und gelangte 1961 über einen Rückstellungsvergleich (1949, "Schenkung auf den Todesfall") in den Bestand des Belvederes.

Foto: Faksimile „Alte und moderne Kunst“ 1957, Detail

Wenn Wodan, "Erhalter des Lebens und Lichtes, das Rad der Sonne, das Jul, wieder den Kreisen des Frühlings entgegenbewegte", erinnerte ein Zeitungsbericht am 24. Dezember 1942, "feierten die germanischen Menschen das Fest der Wintersonnenwende. Durch die Verschmelzung mit der durch Jahrtausende wirksamen Kraft alten Ahnenglaubens", sei Weihnachten schließlich "das deutscheste aller Feste im Jahreskreis" geworden.

Das "Fest deutscher Lichtsehnsucht" konnte das traditionell christliche Weihnachtsfest nicht verdrängen. Die textlich manipulierten Lieder gab es eher bei offiziellen Feiern als im familiären Kreis zu hören. In der 1942 adaptierten Versionen von Stille Nacht war aus dem "trauten hochheiligen Paar" der "strahlende Lichterbaum" und aus "Christ, in deiner Geburt" nun "werdet Lichtsucher all!" geworden.

Wie Gustav Ucicky, der mit dem NS-Propagandafilm Heimkehr (1941) am Zenit seiner Karriere als Filmregisseur angelangt war, das Weihnachtsfest zelebrierte, ist nicht überliefert. Gesichert ist aber, welches Präsent er von seiner damaligen zweiten Ehefrau Ingeborg bekam: Gustav Klimts Gemälde Schloss Kammer III (1910), eine fantastische Ergänzung für die Sammlung des unehelichen Sohns des Künstlers. Ucickys Frau hatte das Werk für 6000 Reichsmark von Erich Führer erworben. Der mit der Liquidation der Sammlung Bloch-Bauer beauftragte Rechtsanwalt hatte das 1936 vom Zuckerindustriellen der Österreichischen Galerie gewidmete Bild gegen zwei andere (Adele Bloch-Bauer I, Apfelbaum I) eingetauscht.

Kurz nach dem Zweiten Weltkrieg forderte das Museum Ucicky zur Rückgabe auf. Er verweigerte, erst eine drohende Rückstellungsklage führte 1949 zu einem Vergleich: Das Museum überließ ihm das Bild auf Lebensdauer. Ergänzend verpflichtete sich der Regisseur, drei weitere Klimt-Bilder aus seinem Besitz "als Schenkung auf den Todesfall der Österreichischen Galerie zu widmen". Nach Ucickys Tod 1961 gelangten diese in den Bestand.

Mehrere Apfelbäume

Dazu gehörte Apfelbaum II (1916), jenes Gemälde, das, wie im Juli bekannt wurde, 2001 womöglich an die falsche Erbenfamilie restituiert wurde: an die Nachfahren von Nora Stiasny (geb. Zuckerkandl) statt an jene von August Lederer. Dafür sprechen Indizien, die zwar bekannt waren, denen man jedoch eventuell zu wenig Bedeutung beimaß.

Ergänzend: Klimt malte dieses Motiv nach 1900 mehrmals, in der Fachliteratur gelten neben gegenständlicher Version noch der Goldene Apfelbaum (1903, Slg. Lederer, 1945 auf Schloss Immendorf verbrannt) und Apfelbaum I (1912, Slg. Bloch-Bauer, Belvedere, 2006 restituiert) als gesichert. Aber auch Elisabeth Bachofen-Echt, Tochter von August und Szerena Lederer, besaß ein gleichartiges Motiv, wie die ihrer Vermögensanmeldung vom Juni 1938 beigelegte Schätzliste belegt.

Auf diese Information stieß Belvedere-Provenienzforscherin Monika Mayer im Februar 2001, also nachdem der Beirat im Oktober 2000 die Rückgabe empfohlen hatte. Sie informierte sowohl ihren Vorgesetzten (Gerbert Frodl) als auch den Leiter der Kommission für Provenienzforschung (Ernst Bacher). Mayers Empfehlung zusätzlicher Recherchen wurde in den Wind geschlagen. Nun ist man seit Monaten mit ergänzenden Recherchen beschäftigt, die trotz akribischer Überprüfung bisher kaum Nennenswertes zutage förderten. Zusätzlich zur Provenienzforschung, erklärt Eva Blimlinger, werden auch andere Experten einbezogen, "um möglichst viele Sichtweisen und Informationen" zu generieren, die dem Beirat in einem Ergänzungsdossier vorgelegt werden. Laut der wissenschaftlichen Koordinatorin des Beirates könne das noch Monate dauern, denn, anders als bei der damaligen Entscheidung wolle man nicht unter Zeitdruck geraten und, "soweit es geht, Unklarheiten ausschließen".

Detaillierte Dokumentanalyse

Genauer analysierte man jetzt auch eine Beilage aus dem Stiasny-Dossier. Ein Bericht von 1939, in dem sich die Beschreibung eines Restaurators von Stiasnys Apfelbaum findet. Diese passt, wie Klimt-Experte Alfred Weidinger (Stv. Direktor Belvedere) auf Standard-Anfrage jetzt bestätigt, in den genannten Details definitiv nicht zu dem 2001 restituierten Bild.

Weiters ist in diesem Bericht Ucickys Reaktion auf die Besichtigung des Werkes im Atelier des Restaurators erwähnt. Demnach handle es sich bestenfalls um eine unfertige Vorstudie und habe er, der 1500 Reichsmark in Aussicht gestellt hatte, "sogleich auf den Kauf" verzichtet, "auch für weniger wollte er es nicht haben".

Ob er später doch dieses oder ein anderes Apfelbaum-Bild erwarb? Man weiß es (noch) nicht. Der Einzige, der die Antwort liefern könnte, wäre Ucicky selbst. Die von seiner dritten Ehefrau gegründete Klimt-Foundation kann hier auch nur beitragen, worüber sie dem Vernehmen nach noch verfügt. Das erhaltene Aktenmaterial sei spärlich und datiere hauptsächlich aus der Nachkriegszeit.

Aus dem Umfeld des Rückstellungsvergleichs fand sich ein Schreiben zu erwähntem Ankauf von Schloss Kammer III. Mit einem interessanten Detail: Den Tipp, dass Erich Führer Klimt-Bilder zum Verkauf offeriere, hatte Ucickys Ehefrau von "einer Freundin" erhalten, konkret von "Baronin Bachofen-Echt, geb. Baronin Lederer". Von ihr weiß man, dass sie ihren Lebensunterhalt damals teils mit dem Verkauf von Kunstwerken bestritt. Der Rest bleibt Spekulation: Ob sie Gustav Ucicky ihren Apfelbaum verkaufte? Es könnte erklären, warum ihr Bruder Erich Lederer nach dem Krieg nie Ansprüche auf das Bild erhoben hatte. (Olga Kronsteiner, 24.12.2015)