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Der Prozess gegen Pu Zhiqiang hat national und international Proteste ausgelöst. Der regimekritische Menschenrechtsanwalt verteidigte etliche Dissidenten, darunter den Konzeptkünstler Ai Weiwei.

Foto: Reuters / Tyrone Siu

Es scheint für Chinas Justiz Routine zu werden, umstrittene politische Urteile zur Weihnachtszeit zu verkünden, wenn die Aufmerksamkeit im Westen am geringsten ist. Die Verurteilung des Friedensnobelpreisträgers und Bürgerrechtlers Liu Xiaobo am zweiten Weihnachtstag 2009 zu elf Jahren Haft wegen regimekritischer Internetaufsätze war der Anfang. Am Dienstag traf es den Bürgerrechtsanwalt Pu Zhiqiang. Er wurde wegen sieben Mikroblogs, die er zwischen Jänner 2012 und Mai 2014 geschrieben hatte, zu drei Jahren Haft verurteilt. Nach Ansicht des Gerichts habe er zum "ethnischen Hass gegen Minderheiten" aufgestachelt und "Streit und Unruhe in der Öffentlichkeit" gestiftet. Die Strafe wurde zur Bewährung ausgesetzt. Pu durfte in seine Wohnung im Stadtteil Fengtai zurückkehren. Die Nachrichtenagentur Xinhua bezeichnete das Urteil als "leichte Strafe" – verhängt, weil der Angeklagte "seine Verbrechen ehrlich eingestand, sich schuldig bekannte und sie bereute".

Das Urteil für Pu, dem die 18 Monate im Untersuchungsgefängnis nicht angerechnet werden, sei weder leicht, noch hätte er sich schuldig bekannt, sagen allerdings seine beiden Anwälte. Pu habe in seiner Verhandlung eine Woche zuvor nur erklärt, es zu bedauern, falls er mit seinen Blogs Leute persönlich beleidigt habe.

Der Fünfzigjährige steht für die kommenden drei Jahre unter Aufsicht der Polizeibehörden in seinem Stadtteil, muss sich bei ihnen melden, darf nicht ohne Erlaubnis Peking verlassen oder mit Journalisten sprechen. Pu wird auch niemals mehr als Anwalt arbeiten können.

Einsatz für Menschenrechte

Der furchtlose Jurist hatte einst Mandanten in schwierigsten Fällen von Menschenrechtsverletzungen und auch verfolgte Prominente wie den Konzeptkünstler Ai Weiwei verteidigt. Er holte schuldlos in Arbeitshaft eingewiesene Wanderarbeiter aus den Lagern, legte sich in seinen Blogs mit korrupten Machtmenschen wie dem einstigen Zentralkomitee-Polizeipapst Zhou Yongkang an und wurde Vorbild für viele junge chinesische Juristen. Im Jänner 2013 nahm ihn die einflussreiche Zeitschrift "People" ("Renwu Zhoukan") als "Der Wichtigste unter den Anwälten" auf ihr Titelbild. Er wurde über Chinas Grenzen hinaus bekannt. An Pu ließ China nun ein Exempel für andere unabhängige Menschenrechtsanwälte statuieren, die Gegenstand der jüngsten Einschüchterungskampagne unter Parteichef Xi Jinping sind.

Die Behörden tolerierten Pu zunächst als Anwalt. Damit war Schluss, als er am 3. Mai 2014, dem 25. Jahrestag des Tiananmen-Massakers, im privaten Freundeskreis der Opfer gedachte. Ein Foto davon geriet ins Internet. Pu muss mächtige Feinde erzürnt haben. Am 5. Mai wurde er festgenommen. Die Polizei hat die Haft für Pu unter Anwendung aller juristischen Tricks immer wieder verlängern lassen. Zuerst war "öffentliche Ruhestörung" ihr Vorwand. Dreimal wies die Staatsanwaltschaft alle Anschuldigungen der Polizei gegen Pu "mangels Beweisen" zurück. Am Ende schusterten die Behörden eine Anklage aus 26 Mikroblogs zusammen, die sie aus tausenden Blogs des unermüdlich twitternden Pu herausfilterten. Aber auch diese musste die Staatsanwaltschaft auf nur noch sieben gerichtsrelevante Blogs zusammenkürzen. (Johnny Erling aus Peking, 23.12.2015)