Das beste am Geflügelbraten ist, dass man zweimal etwas davon hat: einmal, wenn man Huhn / Gans / Ente / Truthahn / was auch immer verspeist, und dann nochmal, wenn man aus den Knochen und sonstigen Resten Suppe gekocht hat. Und wenn man aus dieser Suppe so richtig gute Nudelsuppe macht, dann ist der zweite Genuss mitunter noch schöner als der erste.

Die Nachweihnachtszeit eignet sich für so etwas aus zwei Gründen besonders gut. Erstens, weil da traditionell besonders viele Geflügelreste im Kühlschrank herumliegen und verarbeitet werden wollen. Und zweitens, weil so eine Nudelsuppe sehr schnell gemacht ist und damit auch dann genossen werden kann, wenn man nach den Fress- und Kochorgien einen Küchen- oder konventionellen Kater hat. Nach Letzterem schmeckt sie sogar besonders gut.

Die folgende Nudelsuppe ist asiatisch inspiriert, weil die Asiaten diverser Länder die Könige der Nudelsuppen sind. Zwischen Burma und Japan ist eine Nudelsuppe nicht bloß ein Gericht, sondern ein ganzes Genre. Sie wird zum Frühstück, zu Mittag und am Abend gegessen, aus jedem erdenklichen Tier und Gemüse gekocht, kann scharf oder mild sein, heiß oder kalt, Reis-, Weizen oder sonstige Nudeln enthalten (manchmal liegen die Nudeln sogar neben der Suppe) und auch sonst mit einfach allem bestückt werden, was essbar und köstlich ist.

Misoramen.
Foto: TObias Müller

Aus diesem Grund ist das Folgende auch nicht wirklich als Rezept gedacht, sondern als Denkanstoß; eine Aufforderung, Ihrer Fantasie freien Lauf zu lassen, zu experimentieren, und in Ihre Suppe alles zu schmeißen, was Sie im Kühlschrank finden und für potenziell köstlich erachten. Regelmäßiges asiatisches Kochen hilft, passende Reste und Würzmittel zur Hand zu haben, es geht aber auch ohne. Hier ein grobe Checkliste an Dingen, die meiner Meinung nach neben Suppe und Nudeln dazugehören:

Protein – Schweinsbratenanschnitte, von der Hühnerkarkasse gezupfte Fleischreste, Tofu: Alles kann und wird Ihre Suppe bereichern.

Gemüse – In Ihrer Gemüselade werden Sojasprossen weich, daneben siecht Spinat vor sich hin? Sie haben beim letzten Kochen aus unerfindlichen Gründen zwei Champignons zurückgelassen? Das ist Ihre Chance aufzuräumen.

Frühlingszwiebelgrün – Sowohl optisch als auch von Konsistenz und Frischekick ungeschlagen.

Kräuter – Petersil, Minze oder Koriander sind hier am vielseitigsten einsetzbar.

Fett – Wenn Chiliöl, Schweineschmalz oder Garnelenkopföl auf Ihrer Suppenoberfläche treibt, überzieht es Ihre Nudeln beim Herausheben und gibt extra Geschmack.

Ei – Bedarf keiner Rechtfertigung.

Hausgemachte Garnelensuppe.
Foto: TObias Müller

Nüsse und Samen – Erdnusssackerl nicht aufgegessen? Große Packung Sesam gekauft, weil sie günstiger war, und dann bloß einmal gebacken? In der Pfanne kurz rösten und in die Suppe damit!

Was Saures – Sehr gut eignen sich vergorenes Senfgemüse, selbstgemacht oder aus dem Asiashop, aber wer hindert Sie daran, einfach Sauerkraut, Salz- oder Essiggurken zu nehmen, eine Zitrone/Limette über Ihre Suppe zu pressen oder deren Schale hineinzureiben?

Was Scharfes – Es muss nicht immer Thai-Chili sein, Pfefferoni, Cayenne oder ordinärer Pfeffer können auch was.

Sichuanpfefferramen.
Foto: Tobias Müller

Wenn Sie mindesten drei dieser Dinge beisammen haben, steht Ihrer Suppe nur mehr die eigene Faulheit oder eine unglückliche Aromakombination im Weg.

Eine von sehr vielen möglichen nachweihnachtlichen Nudelsuppen

Die folgende Suppe ist für ein bis zwei Esser gedacht. Mehr gibt so ein Huhn oder eine Ente leider meist nicht her. Wenn Sie eine große Gans oder einen Truthahn gebraten haben, sieht die Sache natürlich anders aus.

Ein bis vier Tage vor dem Verzehr: Packen Sie die Knochen und Knorpel Ihres Vogels in einen Kochtopf und werfen Sie ein walnussgroßes, kurz angequetschtes Stück Ingwer und ein paar Frühlingszwiebel samt Grün dazu, bedecken Sie alles mit kaltem Wasser und bringen es zum Köcheln. Lassen Sie alles etwa eine Stunde sieden, gießen es durch ein Sieb ab und packen Sie die Suppe in den Eiskasten, bis Sie sie verwenden. Am besten machen Sie das alles direkt nach dem Essen, wenn Sie die Küche zusammenräumen.

Was es zu beachten gilt: Wählen Sie einen Topf, in dem neben Knochen und Gemüse nicht allzu viel Wasser passt – aus einem Huhn sollte nicht mehr als ein Liter Suppe werden, so um die 500 bis 700 ml sind noch besser; das Gerippe von im Ganzen gebratenen Vögeln eignet sich für den Prozess besser als das rohe Gerippe eines Tieres, das ausgelöst wurde; Und verwenden Sie ruhig auch die abgenagten Beine und Flügel, Sie kochen Sie sowieso ab und desinfizieren Sie.

Malaysische Nudelsuppe mit getrockneten Sardinen.
Foto: TObias Müller

Wenn Sie der Nudelsuppenhunger plagt, bereiten Sie alle Einlagen vor:

Schneiden Sie eine Handvoll Frühlingzwiebelgrün in feine Streifen, bringen Sie Ihr Sauergemüse in die gewünschte Form und Größe, säbeln Sie Ihr Protein (Geflügelrestfleisch?) in mundgerechte Stücke, halten Sie ihr Chiliöl bereit, falls Sie welches haben, und kochen Sie Ihre Eier weich. Meiner Meinung nach haben die besten Suppeneier einen komplett flüssigen Dotter und ein gerade festes Weiß. Am besten machen Sie das so: legen Sie die Eier in einen Topf, bedecken Sie sie mit Wasser und bringen Sie ihn zum Kochen. Nehmen Sie den Topf vom Herd, sobald das Wasser kocht, lassen Sie die Eier eine Minute ziehen und nehmen Sie sie heraus. Fertig.

Bringen Sie Ihre Suppe zum Kochen. Während Sie heiß wird, kochen Sie Ihre Nudeln. Kaufen Sie Reisnudeln, machen Sie frische Nudeln, oder, am einfachsten, improvisieren Sie Ramen: Werfen Sie zwei Esslöffel Backnatron in zwei Liter kochendes Wasser (Achtung, schäumt) und kochen Sie darin stinknormale Spaghetti al Dente. Das Backpulver macht das Kochwasser basisch, was ihren Nudeln eine gelblichere Farbe, besseren Biss und einen leicht mineralischen Geschmack verleiht – kurz: Es lässt sie mehr wie Ramen wirken. Nähere Infos gibt's hier.

Nudelsuppe, in der man vor lauter Fleisch die Nudeln nicht sieht.
Foto: TObias Müller

Gießen Sie Ihre Nudeln ab, schütteln Sie diese im Sieb ordentlich und verteilen Sie sie auf die Schüsseln. Verteilen Sie ihre Einlagen darauf: Fleisch, Frühlingszwiebel, Sauergemüse, Ei, was auch immer. Das sehr weiche Ei kriegen Sie am besten aus der Schale, indem Sie es mit einem großen Messer der Länge nach halbieren und dann vorsichtig mit einem Löffel die Hälften herausschälen und auf die Nudeln legen. Ein Schuss Sojasauce und eine Prise Sichuanpfeffer über die Nudeln hat noch keinem geschadet, ist aber natürlich keine Pflicht.

Gießen Sie alles mit wallender Suppe auf, träufeln Sie ihr Chili-, Sesam-, Kürbiskern- oder sonstiges Öl auf die Suppenoberfläche, streuen Sie, falls vorhanden, gerösteten Sesam drüber und genießen Sie Ihr sehr einfach zubereitetes, hoffentlich komplex schmeckendes und enorm befriedigendes Restlessen. Am besten mit Stäbchen, Löffel und unter lautem Schlürfen. (Tobias Müller, 27.12.2015)

(Korrektur, 30.12.: Statt Backpulver wird natürlich Backnatron ins Nudelwasser gegeben)