Der österreichische Filmemacher Werner Boote bereist die Welt und macht sich ein Bild von der voranschreitenden Überwachung der Erdenbürger: "Alles unter Kontrolle" fällt dabei leidlich unterhaltsam, aber selten informativ aus.

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Trailer zu "Alles unter Kontrolle".

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Trailer zu "Democracy".

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Wien – Wir leben im Auenland. Wie die friedlichen Bewohner, die bei Tolkien in ihren Erdhöhlen ein sorgenfreies Leben führen, denken wir nichts Böses. Damit das aber so bleibt, erklärt uns ein Sicherheitsexperte, braucht es jemanden, der auf uns aufpasst – einen Aragorn, der Grenzen beschützt und ein Problem erkennt, ehe es zu einem solchen wird. Das wiederum ist dem Filmemacher, der ihn zum Interview gebeten hat, gar nicht recht: "Ich will kein Hobbit sein", sagt Werner Boote und macht sich auf zur Beweisführung seiner Theorie von der totalen Kontrolle.

Werner Boote ist in der Tat kein Hobbit, aber mit ähnlicher Unschuldsmiene eines Unbedarften zieht er los zum alles überwachenden Auge. Oder besser den unzähligen Augen, die heute ihren Blick in Form von Überwachungskameras und digitalen Ortungssystemen auf uns richten.

Für Alles unter Kontrolle geht Boote, seit Plastic Planet so etwas wie der Popstar unter den heimischen Dokumentarfilmemachern, von einer simplen These aus: In rasantem Tempo nimmt die globale Erfassung und Speicherung von persönlichen Daten ihren Gang, ein potenzieller Missbrauch, den die meisten nicht wahrhaben wollen. Und so will auch Boote seinen Film als Warnung an uns Gutgläubige verstanden wissen, indem er uns im Eiltempo von einem Schauplatz zum nächsten jagt. Die Erkenntnisse an Einsatzorten zwischen Hongkong, London, Indien und Utah fallen entsprechend unterschiedlich aus: selten informativ, manchmal amüsant, immer leicht verständlich.

Das hat unmittelbar mit der eigenen Vorgabe des gehetzten Weltbürgers Boote zu tun. Ein einfacher Gedanke – etwa, dass das Leben am gefährlichsten sein müsse, wo es am wenigsten Überwachung gibt – genügt für einen Wechsel in das gefährlichste Viertel Chicagos, nur um sich ausgerechnet dort unter zahlreichen Überwachungskameras wiederzufinden. So schnell führt eine bewusst falsche Annahme zum richtigen Ergebnis. Alles unter Kontrolle argumentiert im Stil von Michael Moore nur für den eigenen Zweck, wenngleich das nicht der Grund dafür ist, dass kein NSA-Mitarbeiter, denen Boote vor dem Hochsicherheitsgelände auflauert, ein Interview geben will. Dafür wissen wir, was die Überwacher aus dem Sandwichladen gegenüber bestellen.

Hürden und Sackgassen

Wo Alles unter Kontrolle bestenfalls an individuelle Verantwortung appelliert, bei der Preisgabe persönlicher Informationen Vorsicht walten zu lassen, geht der Schweizer David Bernet in Democracy – Im Rausch der Daten der Frage nach, inwieweit solche Verantwortung auf politischer Ebene besteht. Zweieinhalb Jahre hat er die Vorbereitungen für das europäische Datenschutzgesetz begleitet, das der Grünen-Abgeordnete Jan Philipp Albrecht als "Berichterstatter" für EU-Kommissarin Viviane Reding aufbereitete.

Es sind der bürokratische Ablauf, seine Hürden und diplomatischen Sackgassen, die Bernet festhält. Die nüchternen Schwarz-Weiß-Bilder, in denen die Besprechungen in Büroräumen verfolgt werden, entsprechen diesem Zugang ebenso wie die unaufgeregte Distanz, die Bernet zu seinen Protagonisten bewahrt. Die Spannung, die der Film entfaltet, ist das Resultat eines langsamen Eintauchens in ein schwerfälliges System, das sich gegen äußere und innere Widerstände behaupten muss – um den Rausch der Daten nicht nur für die Abhörer hörbar zu machen. (Michael Pekler, 23.12.2015)