Werner Gregoritsch verfolgt die Karriere seines Sohnes logischerweise ganz genau, er ist ja vom Fach und bei der U21 sogar sein Trainer.

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Michael hat sich beim Hamburger SV durchgesetzt, er ist praktisch gesetzt – und hofft auch deshalb, es nach Frankreich zur EM zu schaffen.

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Wien – Michael Gregoritsch hat resigniert. "Sie können meinen Namen nicht aussprechen, sie betonen Gregoritsch immer falsch. Das ist hoffnungslos." Am Samstag wird der Stadionsprecher in Hamburg bei Bekanntgabe der Aufstellung die Hoffnungslosigkeit vor 50.000 Zuschauern fortsetzen, der HSV empfängt Augsburg. Der 21-jährige Gregoritsch hat übrigens einen prominenten Vorgänger. Andreas Ivanschitz war auch ein Nachnamen-Exote, Andreas war kein Problem, (Michael ist ebenfalls simpel), aber "Ivanschitz" führte in Mainz und Restdeutschland zu Doppelknoten in Zungen.

Die Karriere von Michael Gregoritsch wird freilich nicht nachhaltig leiden. "Entscheidend ist, dass ich weiß, wie man Gregoritsch ausspricht." Vater Werner, er ist 57, gibt ihm recht und sagt: "Der Bub ist nicht aufzuhalten – sofern er gesund bleibt. Der macht seinen Weg. Weil er nicht abgehoben ist, der braucht keinen Porsche, er ist absolut bodenständig."

Blick zurück. Werner Gregoritsch war kein schlechter Fußballer. Parallel zur Karriere hat er die pädagogische Hochschule in Graz absolviert, in Deutsch und Turnen kennt er sich bis heute bestens aus. Beim GAK, bei Vöest Linz und der Vienna hat er gestürmt, nicht schlecht, aber auch nicht herausragend. "Manchmal ist mir die dritte Halbzeit wichtiger gewesen." 1997 erkrankte er an Hodenkrebs, Michael war drei Jahre alt. Werner Gregoritsch musste die übliche Tortur über sich ergehen lassen, Chemotherapien, Bestrahlungen, Nebenwirkungen. "Mindestens drei Jahre war ich in Lebensgefahr, man wusste nicht, wie die Sache ausgeht." In so einer Situation sucht und greift man nach Strohhalmen. "Ich wollte Michael unbedingt Fußball spielen sehen – irgendwo. Dass es der HSV geworden ist, ist ein realer Traum. "

Pfiffe und Applaus

"Der Bub", sagt der Vater, "hat immer seinen Weg gefunden." "Mein Vater" , sagt der Bub, "hat mir immer den richtigen Weg gezeigt." In den besten Familien gibt es Konflikte. Bei den Gregoritschs war die Situation prekär, als der Vater Trainer in Kapfenberg war – und Michael im Nachwuchs lernte. Am 14. April 2010 kam es zu einer ungewöhnlichen Konstellation. Kapfenberg empfing die Austria, drei Stürmer waren verletzt oder gesperrt. Werner nahm den Sohnemann in den Kader auf. In der 80. Minute wechselte er ihn ein. Die Zuschauer pfiffen, von wegen Protektionskind und so weiter. Mit der zweiten Ballberührung machte Michael das 1:0, die Partie endete 1:1. Der Bub hatte Historisches geschafft, er ist der jüngste Spieler, der je ein Tor in der österreichischen Bundesliga erzielt hat. Er war 15 Jahre und 361 Tage jung. Die Kapfenberger haben dann doch applaudiert.

Michael wurde in der Mannschaft akzeptiert. "Es war kein Nachteil, der Sohn vom Trainer zu sein. Ich war zu jung, um mir darüber den Kopf zu zerbrechen." Werner sagt: "Es klappte. Weil er den nötigen Charme hatte, immer ein Kommunikator, ein absoluter Teamplayer war. Ich habe von ihm sehr viel gelernt."

Die Suppe und die Reise

Die Wege trennten sich. Werner wurde 2012 Trainer beim ÖFB, er übernahm die U21 – mit Erfolg und mit Michael. Der schoss in 24 Spielen 20 Tore. Werner sagt über seine Mannschaft: "Die ganze Generation ist ein Wahnsinn. Die sind cool und professionell, lösen Konflikte." Und sie stellen Fragen. "Früher hat der Vater gesagt: Iss die Suppe und ruhig. Jetzt geht das nicht. Die wollen wissen, warum, was ist da eigentlich drin." Gregoritsch vermittelt seiner Mannschaft, also auch Michael, vier Grundsätze: Respekt, Ehrlichkeit, Disziplin und Demut.

Michaels Reise hat sich ergeben. 2012 hat Hoffenheim angeklopft, 2013 wurde er an St. Pauli verliehen, 2014 kaufte ihn Bochum. Im Sommer schlug der HSV zu, zahlte 3,5 Millionen Euro Ablöse (Vierjahresvertrag). Trainer Bruno Labbadia wollte unbedingt den 1,93 Meter großen, schlaksigen Gregoritsch. Obwohl auch Labbadia den Namen nicht richtig aussprechen kann. Der Marktwert wird mittlerweile auf sieben Millionen geschätzt, um Geldangelegenheiten kümmert sich der Vater nicht. "Das passt nicht mit meinem Beruf zusammen." In Finanzfragen berät Sohn/Bruder Matthias, der ist 29, lebt in Wien, kennt sich aus. Gregoritsch hat in 15 Partien drei Tore erzielt, der HSV, zuletzt ein verlässlicher Abstiegskandidat, ist guter Neunter. Der Steirer sieht sich als zentrale oder hängende Spitze, er muss auch an die Seiten ausweichen. "Auf Dauer ist mein Platz im Zentrum."

Interesse an der EM

Er müsste lügen, nicht an der EM in Frankreich interessiert zu sein. Der Vater ist ja bei der gleichen Firma wie Teamchef Marcel Koller angestellt, die beiden haben einen guten Draht. Michael ist sich bewusst, "dass es schwierig ist reinzukommen. Die, die sich qualifiziert haben, sollen natürlich spielen, sie haben es verdient. Aber das darf keine Garantie sein."

Ab Montag hat Michael Urlaub, Weihnachten verbringt er mit der Familie daheim in Thal. In unmittelbarer Nachbarschaft steht das Geburtshaus von Arnold Schwarzenegger. Die beiden Gregoritschs sagen: "Das kann, muss aber nichts bedeuten." (Christian Hackl, 18.12.2015)