Wenn rechte Politiker in Deutschland und Österreich Hasstiraden voll Halbwahrheiten, Lügen und Hetze loslassen, tobt das meist kleinbürgerliche Publikum vor Begeisterung. Aber auch gemäßigte Angehörige der Mittelschicht sprechen nur noch mit einer Mischung aus Verzweiflung und Verachtung von den Regierenden. In den Internetforen brodelt es vor Hasspostings, abstrusen Verschwörungstheorien und apokalyptischen Zukunftsvisionen.

Der gemeinsame Nenner ist Angst. Die Einwohner der reichsten Gesellschaften auf diesem Planeten, die Nutznießer eines massiv ausgebauten Sozialstaates, die Zeitgenossen einer nie dagewesenen, jahrzehntelangen Periode von Frieden und Wohlstand haben Angst.

Angst vor Flüchtlingen, Angst um den Arbeitsplatz, Angst um das Erreichte, Angst vor der Zukunft, Angst vor dem Abstieg.

Diese Ängste haben eine nicht wegzuleugnende faktische Basis. Die Finanzkrise hat eine Wirtschaftskrise ausgelöst, die in Wirklichkeit noch nicht überwunden ist; die nicht konjunkturelle, sondern strukturelle Ursachen hat. Das spürt fast jeder – die alten Zeiten des Wachstums kommen zumindest in dieser Form nicht wieder. Und wenn die Konjunktur wieder anzieht, dann werden die Sparprogramme in den Unternehmen trotzdem weiterlaufen, weil sehr viele Arten von Arbeit zu teuer und oft überflüssig geworden sind.

Am virulentesten ist die Angst-Hass-Stimmung in Schichten, denen es nicht so schlecht geht, deren relativ gute Position aber nicht so gut abgesichert ist. Oft sind es Nutznießer staatlicher Transferleistungen, die diese unbedingt zur Aufrechterhaltung eines gewissen Lebensstandards brauchen. Nach einer Studie des Wifo beträgt der im unteren Drittel der Anteil von Transfers am Haushaltseinkommen 84 Prozent.

Wer sich selbst so prekär sieht (sehen muss), glaubt sehr leicht, dass man ihm sein Transfereinkommen wegen der Flüchtlinge kürzen wird.

Wer ökonomisch besser dasteht, fürchtet, dass die eigenen Wohnviertel oder Landstriche durch Flüchtlingsheime kaputtgemacht werden.

In Deutschland führt das zum Aufkommen einer "neuen völkischen" Bewegung rund um Pegida und AfD, "deren Gier nach Gewalt mit Händen zu greifen ist" (FAZ). Fast jeden Tag brennen Asylheime. In Österreich äußert sich das vorläufig durch noch stärkeren Zulauf zur FPÖ und durch Verachtung der Regierungsparteien.

Das Szenario in Österreich beinhaltet entweder eine Regierungsbeteiligung der FPÖ – komplett mit hetzerischem Grundton und kostspieliger Ernüchterung, nachdem der Karren in den Graben gefahren wurde; oder den Beginn wirksamer Gegenmaßnahmen der Regierung:

  • ein funktionierendes Konzept zur Professionalisierung der Flüchtlingspolitik mit dem Ziel, die bereits vorhandenen Flüchtlinge bestmöglich zu integrieren und die Zahl der Kommenden zu begrenzen.
  • endlich eine Verbesserung der Rahmenbedingungen für die Wirtschaft, damit die Betriebe wieder Leute einstellen.

Geschieht das nicht, wird die Angst im Land eine kritische Masse erreichen und das gesellschaftliche Geschehen dramatisch radikalisieren. (Hans Rauscher, 18.12.2015)