Kritik daran, dass sie Protokolle aus der Hypo-Untersuchungskommission dem Reißwolf zuführte, versteht Irmgard Griss nicht. "Warum sollte ich etwas unter den Tisch kehren wollen?", fragt sie.

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Ein weißgetünchtes Loft mit Flohmarktmöbeln, kurioser Deckenbeleuchtung und hoher Laptopdichte: Der Impacthub ist eines dieser hippen Kreativzentren im Bobobezirk Neubau, von denen man nicht so genau weiß, was dort eigentlich passiert. "Junge Menschen versuchen hier, soziologische und ökologische Probleme auf unternehmerische Art zu lösen", klärt Irmgard Griss auf – und das, findet sie, passe gut zu ihrem heutigen Auftritt.

Griss ist zwar 69 Jahre alt, doch sie verspricht einen neuen Stil, sollte sie 2016 zur Bundespräsidentin gewählt werden. Für eine "ehrlichere" Politik will sich die ehemalige Höchstrichterin und Leiterin der Untersuchungskommission zum Hypo-Skandal einsetzen, und für mehr Sachlichkeit: "Es darf nicht sein, dass aus parteitaktischen Gründen nicht nach Lösungen gesucht wird.

Wahlgeschenke sind tabu

Beginnen solle der Kulturwandel bereits im Wahlkampf, und zwar dank eines "Fairness- und Transparenzabkommens". Die Kür der "moralischen Instanz" der Republik dürfe nicht zur "Materialschlacht" verkommen, sagt Griss und fordert – wie sie zugibt – durchaus eigennützig, das Kostenlimit für Kampagnen auf eine Million Euro zu beschränken. Kinospots, Wahlgeschenke und ganzseitige Inserate sollten ebenso verboten sein wie Negative Campaigning, dafür sei Transparenz Pflicht: Ihre Homepage werde in Kürze über jeden empfangenen Cent Auskunft geben.

Bisher sei nur eine Großspende eingetrudelt, sagt Griss: Cattina Leitner, Ehefrau von Andritz-Chef Wolfgang Leitner, habe 100.000 Euro gezahlt. Insgesamt will die Kandidatin zumindest 500.000 Euro auftreiben, schließt Parteien als Spender aber aus.Werbeagentur hat sie noch keine engagiert, zumindest aber Berater: Kampagnenleiter ist Milo Tesselaar, nach Eigendefinition "ein Mann fürs Neue". Der 33-jährige Grazer war Gründer des Magazins Biorama und führt die Agentur Freims, die Unternehmen berät, "sich neu zu denken".

Akten geschreddert

Den ersten Ernstfall haben Griss und ihr Team bereits zu bewältigen. Alle sechs Parlamentsparteien haben sich im Untersuchungsausschuss beschwert, dass Griss nach getaner Arbeit als Leiterin der Hypo-Kommission deren Unterlagen vernichtet hat. Die Reaktionen reichten von "Wahnsinn" bis "mir fehlen die Worte".

Am Freitag kam etwas Licht ins Dunkel dieses Aktenmysteriums: Die Kommission hatte zu Beginn alle möglichen Unterlagen von Finanzministerium, Finanzmarktaufsicht (FMA) und Nationalbank bekommen. Nach getaner Arbeit schickte sie diese Dokumente – vereinbarungsgemäß – wieder zurück an die Absender.

In der Finanzmarktaufsicht verweist man aufs Datenschutzgesetz. Man habe via Vertrag ausgemacht, dass alle Dokumente gesetzesgemäß nur zur Information dienten und nicht zur Veröffentlichung gedacht seien. Im Finanzministerium heißt es, man habe der Griss-Kommission den Zugriff auf ein Laufwerk gestattet und ihr diesen nach Zeitablauf wieder entzogen. Die Dokumente auf diesem Laufwerk seien übrigens vollinhaltlich dem U-Ausschuss zur Verfügung gestanden, sagt eine Sprecherin.

Anders verhält es sich mit jenen Dokumenten, die Griss’ Kommission selbst produziert hat – also beispielsweise Protokolle der Interviews mit befragten Personen. Griss erklärte am Freitag, diese eigenmächtig vernichtet zu haben. Schließlich habe die Kommission alle Gespräche vertraulich geführt: Es sei vereinbart gewesen, die Ergebnisse nur im Endbericht zu verwerten.

"Unsinnig"

Abgesehen davon "wäre es unsinnig gewesen, die Protokolle aufzuheben", sagt die Juristin: Alles Relevante sei in den Bericht eingeflossen, der Untersuchungsausschuss könne alle Personen nun unter besseren Bedingungen – etwa der Wahrheitspflicht – befragen. "Warum sollte ich etwas unter den Tisch kehren wollen?", fragt Griss und sieht hinter der Kritik taktische Spielchen: "Das zeigt leider den Zustand unserer Politik." (Gerald John, Maria Sterkl, DER STANDARD, 19.12.2015)