Wien – Sicher ist, dass eine lautstarke Feier auf dem Partyschiff in Wien am Morgen des 19. Oktober 2013 mit einem Großeinsatz der Polizei geendet hat. 86 Beamte waren insgesamt involviert, um das junge Paar Christof R. und Almuth G. festzunehmen. Gewalt war im Spiel – ein Polizist behauptet, er sei zunächst vom Angeklagten verletzt worden. Das Paar sagt, es sei von der Polizei schon vor Ort misshandelt worden und erst recht in der Arrestzelle.

Bei Staatsanwaltschaft und Landesgericht Wien glaubte man allerdings der Exekutive. Da R. und G. auch im Fernsehen ihre Anschuldigungen aufrechterhalten haben, wurden sie im März wegen (versuchten) Widerstands gegen die Staatsgewalt und Verleumdung verurteilt, R. zusätzlich wegen schwerer Körperverletzung. Die Strafen: neun Monate bedingt für ihn, sechs Monate bedingt für sie. Unbedingt war die Geldstrafe von je 720 Euro.

Zufrieden war mit der Entscheidung keine Seite. Die Angeklagten meldeten Nichtigkeit und Berufung an, die Anklagebehörde will eine höhere Strafe für die junge Frau – also verhandelt das Oberlandesgericht darüber.

Zu große emotionale Beteiligung

Erschienen ist nur der Angeklagte, G. nehme das Verfahren so mit, dass sie nicht kommen könne, sagt ihre Mutter. Wegen "zu großer emotionaler Beteiligung", formuliert es Vorsitzende Christine Schwab für das Protokoll.

R.s Verteidiger Josef Wegrostek argumentiert in seinem Plädoyer, warum er den ursprünglichen Prozess für fehlerhaft hält.

Erstens sei der Betreiber des Veranstaltungsorts, der nur schlecht Deutsch spricht, vom Gericht nicht mit einem Dolmetscher einvernommen worden. Wie schon bei der Polizei nicht – obwohl in deren Vernehmungsprotokoll alles in einwandfreier Schriftsprache steht. Wegrosteks Schlussfolgerung: Die Beamten hätten ihm alles vorgesagt.

Darüber hinaus sei auch ein Lokalaugenschein abgelehnt worden, obwohl es Widersprüche gegeben habe, wie es dort überhaupt ausschaut. Bei R.s Vorwürfen, er sei in der Zelle von zwei Beamten zehnmal getreten und geschlagen worden, vermutet sein Verteidiger, die Polizisten hätten sich abgesprochen, um das zu leugnen.

In Fernsehsendung aufgetreten

Und überhaupt: "Sie sind ins Fernsehen gegangen, das macht doch niemand, der etwas gemacht hat." Ein anderes seiner Argumente ist weniger hilfreich: Er sei mehrere Stunden nach der Festnahme auf die Polizeiinspektion gekommen, bis dahin habe noch keine Einvernahme stattgefunden. Allerdings: Es ist nirgends dokumentiert, dass der Mandant bei Wegrosteks Besuch etwas von Verletzungen und Übergriffen erzählt hat.

Der Oberstaatsanwalt sieht die Sache naturgemäß anders. Das von Erstrichterin Olivia-Nina Frigo ausgefertigte Urteil habe 40 Seiten, und ihre Entscheidung sei schlüssig und nachvollziehbar begründet. Nur mit der Strafe von G. ist die Anklagebehörde nicht einverstanden, sie sei zu niedrig.

Dem stimmt der OLG-Senat zu: Die Strafe wird von sechs auf neun Monate bedingt erhöht. Was ziemlich seltsam ist: Schließlich war bei der Frau gar keine Körperverletzung angeklagt, dennoch ist ihr Strafmaß nun das gleiche wie das des Erstangeklagten.

Keine Dolmetscher für radebrechende Zeugen

In dem großteils offensichtlich vorformulierten Urteil wird auf die Argumente der Verteidigung nur bedingt eingegangen. Das Erstgericht habe "ein akribisches Verfahren" durchgeführt, wird bescheinigt. Ein Dolmetscher beispielsweise sei nur vorgesehen, wenn ein Zeuge der Gerichtssprache nicht mächtig sei. Radebrechen reicht also schon.

Interessant auch, dass die junge Frau den versuchten Widerstand begangen hat, als sie zu ihrem auf dem Boden fixierten Freund gelangen wollte. Nothilfe sei nämlich bei einer Amtshandlung nicht zulässig, selbst wenn ein Beamter eine Körperverletzung begehen würde. Nur der Polizist würde sich strafbar machen, man selbst darf nicht eingreifen. (Michael Möseneder, 18.12.2015)