Weniger Jobs im Bankensektor.

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Wien – Trotz einer leichten Verbesserung der Ertragslage im ersten Halbjahr 2015 befindet sich Österreichs Bankensektor, übermäßig groß und unterdurchschnittlich kapitalisiert, in einer Zwickmühle. Die "neue Normalität", wie mittlerweile auch die Oesterreichische Nationalbank (OeNB) die Kombination aus geringen Wachstums- und Inflationsraten bei sehr tiefem Zinsniveau bezeichnet, belastet die Zinsergebnisse schwer, die fast zwei Drittel der Erträge der heimischen Geldhäuser einspielen. Besonders kleinen und mittelgroßen Banken setzt die Entwicklung überdurchschnittlich zu.

EZB-Politik

Dazu beigetragen hat auch die Geldpolitik der Europäischen Zentralbank (EZB), welche etwa die einjährigen Kreditzinsen für Unternehmen laut OeNB-Gouverneur Ewald Nowotny binnen vier Jahren um rund 1,5 Prozentpunkte gesenkt hat. Die Folge ist ein anhaltend starker Personalabbau im Sektor, der seit 2008 bereits 5.000 Arbeitsplätze gekostet hat. "Im Jahr 2015 werden es 1.000 Mitarbeiter weniger sein. Das ist eine Entwicklung, die zweifellos weitergehen wird", sagt Nowotny unter Verweis auf "nicht unrealistische" Studien, wonach in den nächsten fünf Jahren ein Drittel aller Bankjobs, also 25.000 Arbeitsplätze, verlorengehen werden.

Folglich stellt sich die Frage, inwieweit die Nullzinspolitik der EZB negative Effekte auf den Arbeitsmarkt ausstrahlt. Darauf angesprochen, führt Nowotny, auch Mitglied des geldpolitischen Rats der EZB, hauptsächlich die technologische Entwicklung, Regulierung und Strukturwandel als Ursachen des Jobabbaus an – räumt aber ein: "Natürlich ist das auch eine Frage davon, wie sich die Zinsspannen entwickeln."

Wenige Investitionen

Freilich kann die EZB-Politik auch positive Effekte verbuchen. Nowotny verweist auf den Exportsektor, der stark vom gesunkenen Euro profitiere. Zudem hätten die Maßnahmen der EZB auch die Kreditvergabe an Unternehmen unterstützt. Dass diese dennoch nicht in Schwung kommt, liegt laut Nowotny an der geringen Nachfrage. Demnach haben die Unternehmensinvestitionen im ersten Halbjahr bloß um 0,5 Prozent auf Jahressicht zugenommen.

Mit einem vierprozentigen Zuwachs ist hingegen die Vergabe von Wohnbaukrediten an private Haushalte angesprungen, wie aus dem aktuellen "Financial Stability Report" der OeNB hervorgeht. Verringert haben sich die damit verbundenen Risiken: Der Anteil variabel verzinster Wohnfinanzierungen hat sich bei neuen Krediten auf rund drei Viertel reduziert, zudem sind Fremdwährungskredite auf knapp über 20 Prozent des Gesamtbestands gesunken.

Wachsames Auge auf Immobilienpreise

Ein wachsames Auge will die OeNB künftig auf die Immobilienpreise werfen. Über eine Ausweitung des Meldewesens planen die Währungshüter, ein Früherkennungssystem für Immobilienpreisblasen zu installieren. Derzeit sieht OeNB-Chefvolkswirtin Doris Ritzberger-Grünwald zwar keine solche, möchte sich jedoch auf den Fall der Fälle vorbereiten. Zuletzt hat sich der Preisauftrieb in Österreich wieder beruhigt und betrug im zweiten Quartal nur noch 1,4 Prozent auf Jahressicht. "Die Preise sind da, wo sie aufgrund der Fundamentaldaten sein sollten", beruhigt Ritzberger-Grünwald für Österreich. Einzig in Wien ortet sie ein Niveau, das "etwas höher ist".

An das neue Normal angepasst haben auch Österreichs Haushalte ihr Sparverhalten. Laut einer Umfrage legen 26 Prozent weniger auf die hohe Kante als vor drei Jahren, und bloß neun Prozent sparen mehr. Eine der Ursachen für den Sparstreik: das extrem tiefe Zinsniveau. (aha, 18.12.2015)