Mehr eigene Heimärzte in Pflegeeinrichtungen wären wünschenswert, seien aber die Ausnahme, sagt Markus Mattersberger, Präsident des Bundesverbands der Alten- und Pflegeheime.

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Wien – In Wien sollen Nachtdiensträder in Pflegewohnheimen reduziert werden. Ab März 2016 werde statt bisher zwei nur ein Arzt anwesend sein, um Überstunden zu reduzieren, berichtete die "Presse" am Donnerstag. Künftig würden sich dafür untertags mehr Ärzte um Bewohner der Pflegeheime kümmern können, hieß es dazu vom Wiener Krankenanstaltenverbund (KAV). Die Reduktion um einen Ärzte-Nachtdienst werde durch diplomierte Pflegefachkräfte kompensiert, die nun zum Beispiel wieder Infusionen anhängen dürfen, hieß es weiter vom KAV.

"Ärzte schwieriger greifbar"

In den meisten Pflegeeinrichtungen in Österreich sind gar keine eigenen Ärzte fix im Haus. Weit verbreiteter ist die hausärztliche Versorgung, also dass niedergelassene Allgemeinmediziner Bewohner in Pflegeeinrichtungen mitbetreuen. "Die Ärzte sind dann schwieriger greifbar, wenn sie gebraucht werden", sagt Patientenanwalt Gerald Bachinger. Das habe die "unerwünschte Auswirkung", dass Pflegepersonal öfter gezwungen sei, die Rettung zu rufen und Bewohner aus der gewohnten Umgebung geholt und ins Spital gebracht würden.

Ins Spital: "massiver Einschnitt"

Das bestätigt auch Markus Mattersberger, Präsident des Bundesverbandes der Alten- und Pflegeheime Österreichs. "Wenn eine medizinische Abklärung notwendig ist, muss eine Pflegeperson die Rettung rufen." Komme es zum Transport ins Spital, sei das vor allem für Bewohner mit kognitiver Beeinträchtigung ein massiver Einschnitt in den Lebensrhythmus. "Mehr eigene Heimärzte in Pflegeeinrichtungen wären wünschenswert", sagt Mattersberger. Sie seien aber die Ausnahme.

Dass in dem Bereich in Wien gekürzt werde, zeige, "dass das, was im Gesundheitsbereich zu beobachten war, nun verzögert in den Bereich der Pflegeheime hereinschlägt", meint Patientenanwalt Bachinger weiter. Wobei in Niederösterreich die Zahl der Heime, in der eigene Heimärzte tätig sind, zugenommen habe.

"Sparstift nicht der richtige Weg"

Michael Lang, Leiter des Geriatriereferats der Österreichischen Ärztekammer, hält die Wiener Kürzungen auch für falsch. "Dass überall der Sparstift angesetzt wird, ist nicht der richtige Weg", sagt Lang, auch Präsident der Ärztekammer Burgenland. Mehr Kosten durch Krankentransporte seien die Folge. "Wenn ich auf der einen Seite spare, kostet es auf der anderen Seite", meint Lang – und fügt hinzu, dass es auch beim System der hausärztlichen Betreuung in Pflegeheimen enger werde. Im Südburgenland sei laut Lang etwa eine Kassenstelle gerade das vierte Mal ausgeschrieben, da sich kein Mediziner dafür finde.

Patientenwille nicht erfasst

Und was sind dann die Folgen der Notarzteinsätze? Studien zufolge liege die Wahrscheinlichkeit, dass ein Pflegeheimpatient Reanimationsmaßnahmen nach einem nicht beobachteten Herzkreislaufstillstand überlebt, im einstelligen Prozentbereich, sagt Lang. Wenn doch, komme es immer zu Folgeschäden. Dass ein herbeigeeilter Notarzt in der Situation noch herausfinde, ob der Patient überhaupt lebensverlängernde Maßnahmen will, sei aktuell aber kaum praktikabel. Zumal derlei in Pflegeheimen bisher nicht systematisch erfasst wurde.

Vorsorglich über Tod reden

Dieser Problematik sollte der sogenannte Vorsorgedialog Abhilfe verschaffen, den ein von Hospiz Österreich, dem Dachverband der Palliativ- und Hospizeinrichtungen, erarbeitet hat. Beim Vorsorgedialog sollen Bewohner eines Pflegewohnheims mithilfe von Pflegepersonal, einem Arzt und einer Vertrauensperson systematisch bestehende Wünsche für das Leben und das Sterben formulieren. Von Hospiz Österreich hieß es am Donnerstag, es fehle aber sowohl für ein Pilotprojekt, das im Herbst 2016 starten sollte, als auch einen späteren flächendeckenden Rollout noch die Finanzierung. (Gudrun Springer, 18.12.2015)