Der Gletscher Jakobshavn Isbræ stellt einen beträchtlichen Teil der grönländischen Eismasse dar. Er befindet sich im Rückzug.

NPG Press

Kopenhagen/Wien – Das vergangene Woche in Paris ausverhandelte Klimaschutzabkommen ist eine kleine Revolution. 195 Staaten konnten sich zu einem gemeinsamen Bekenntnis zum Klimaschutz durchringen. Damit wurde, zumindest auf dem Papier, erstmals die Spaltung zwischen reichen Industrieländern und armen Entwicklungsländern in der Klimapolitik überwunden.

Doch selbst wenn die ehrgeizigen Ziele des Vertrages tatsächlich erfüllt werden sollten, sind die Auswirkungen der Erderwärmung längst unübersehbar. Das gilt auch für eine besonders folgenreiche Entwicklung: das Abschmelzen der großen Gletscher und den damit verbundenen Anstieg des Meeresspiegels. Der langfristigen Erforschung der antarktischen und grönländischen Eisschilde kommt daher eine herausragende Bedeutung zu.

1970er- und 80er-Aufnahmen

Zu den Veränderungen dieser beiden größten Eismassen der Welt liegen zwar für die vergangenen drei Jahrzehnte detaillierte Daten vor. Mangels früherer systematischer Beobachtungen lässt sich die Eisentwicklung für den größten Teil des 20. Jahrhunderts aber nur in Computermodellen rekonstruieren.

Nun gelang es einem internationalen Forscherteam um Kristian Kjeldsen und Kurt Kjær von der Universität Kopenhagen, die gesicherte Datenlage ein gutes Stück zu erweitern: In ihrer Studie in "Nature" zeichnen die Wissenschafter den Eisverlust Grönlands seit Beginn des 20. Jahrhunderts unter Zuhilfenahme historischer Fotografien nach.

Dazu werteten sie Luftaufnahmen aus den 1970er- und 1980er-Jahren mit modernen fotogrammetrischen Methoden aus. Kombiniert mit späteren und heutigen Messdaten kartierten sie die jeweilige Gletscherausbreitung und errechneten das Massevolumen und dessen Entwicklung in den vorangegangenen Jahrzehnten.

Regionale Hotspots

Die Ergebnisse bestätigen nicht nur, dass der Grönländische Eisschild mit etwa 25 Millimetern wesentlich zum globalen Anstieg des Meeresspiegels im 20. Jahrhundert beigetragen hat. Der jährliche Eisverlust hat sich zwischen 2003 und 2010 im Vergleich zum Jahresdurchschnitt des vorigen Jahrhunderts mehr als verdoppelt – und schreitet weiterhin rasant fort.

Diese Entwicklung sei regional sehr unterschiedlich ausgeprägt. Die heutigen "Hotspots" im Nordwesten und an der Südküste Grönlands schmolzen auch schon vor hundert Jahren am stärksten ab. "Um künftige Änderungen des Meeresspiegels vorhersagen zu können, ist es essenziell, zu verstehen, was in der Vergangenheit passiert ist", schreibt Kjær. (David Rennert, 17.12.2015)