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Sarkozy-Gefolgsfrau Valérie Pécresse siegte in Île-de-France.

Foto: AFP / Miguel Medina

Am größten war die Erleichterung in touristischen Regionen wie der Côte d'Azur, der Provence, dem Burgund oder dem Elsass: Sie werden die nächsten fünf Jahre nicht mit dem Stigma leben müssen, "FN-Gebiet" zu sein. Von den 13 Großregionen Frankreichs eroberte der fremdenfeindliche Front National am Sonntagabend keine einzige. Die Rechte gewann deren sieben, darunter die umkämpften Großräume von Paris und Lyon, dazu den Norden, Osten und Süden, wo sich Marine und Marion Le Pen Hoffnungen machten. Die Linke bewahrte fünf Positionen.

Stimmenmäßig legten die Frontisten allerdings weiter zu: 6,8 Millionen Franzosen wählten sie – das sind 800.000 Stimmen mehr als im ersten Durchgang: Rekord. "Die Gefahr der extremen Rechten ist nicht beseitigt", erklärte Premierminister Manuel Valls deshalb schon am Abend.

Keine Scham

Markanter noch als die Stimmenzahl ist der Zuwachs an Selbstvertrauen für die FN-Wähler: Auf dem Dorfmarkt oder vor TV-Kameras stehen sie heute wie selbstverständlich zu ihrem Votum, das sie bisher eher verschämt verborgen hatten.

Bei der konservativen Opposition gab es keine Siegermienen. Republikaner-Chef Nicolas Sarkozy setzte vergeblich auf die "blaue Welle", um sich ein Sprungbrett für die Präsidentenwahl zu schaffen. Er hat es der Spitzenkandidatin in Paris zu verdanken, dass seine Partei mehr Regionen erobert als die Linke: Valérie Pécresse gewann die schwergewichtige Hauptstadtregion Île-de-France (zwölf Millionen Einwohner, 30 Prozent der Landeswirtschaft).

Vorwürfe gegen Sarkozy

Sarkozy musste sich am Montag bei einer Parteisitzung gegen Vorwürfe verteidigen, er habe sich bei den FN-Wählern angebiedert. Ex-Premier Jean-Pierre Raffarin forderte eher eine Annäherung an die Zentrumsdemokraten. Nur so, meint der gemäßigte Republikaner, lasse sich vermeiden, dass der sozialistische Präsident François Hollande mit seinem resoluten Antiterrorkurs die politische Mitte besetze. Sarkozy will aber keine internen Debatten aufkommen lassen und entfernte seine liberale Hauptkritikerin Nathalie Kosciusko-Morizet aus der Parteileitung.

Im Hintergrund geht es um die Präsidentschaftswahl 2017. Auch intern zunehmend umstritten, hat Parteichef Sarkozy Mühe, die Regionalwahlen in einen persönlichen Erfolg umzudeuten. In Umfragen schneidet der moderate Alain Juppé besser ab, auch wenn die Sarkozysten dem 70-Jährigen die nötige Energie absprechen. Die beiden Platzhirsche der Republikaner werden kaum zulassen, dass sich bei den Vorwahlen 2016 jüngere Republikaner in Szene setzen.

Gerüchte um neue Beschäftigungsmaßnahmen

Hollande muss nun allerdings das politische Zentrum zumindest vorübergehend aufgeben und Kurs nach links nehmen. Dort wächst der Druck. "Wir können so nicht weitermachen", sagt Sozialistenchef Jean-Christophe Cambadélis: Um den FN-Vormarsch zu bremsen, müsse die Regierung "die soziale Prekarität und die Arbeitslosigkeit bekämpfen". Aus Valls' Entourage verlautete bereits, der Premier plane "rasch neue Beschäftigungsmaßnahmen".

Nachdem sich Hollande wochenlang und erfolgreich mit Terrorabwehr und Klimagipfel befasst hatte, sieht er sich nun wieder von der schlechten Wirtschaftslage eingeholt. Sie stellt ihn vor ein unüberwindliches Dilemma: Der linke Parteiflügel verlangt soziale Maßnahmen – und damit eine radikale Abkehr von den Budgetvorgaben der EU; Wirtschaftskreise und die deutsche Regierung fordern hingegen eine ökonomische Liberalisierung, um den Konjunkturmotor wieder anzuwerfen.

Auf seine Parteilinke angewiesen, mit dem Front National im Nacken, aber mit leeren Staatskassen konfrontiert, dürfte Hollande gezwungen sein, wirtschaftspolitisch weiter zu lavieren. Im Jahr vor der Präsidentschaftswahl wird er darauf verzichten, echte Strukturreformen anzupacken. Sie wären aber wohl das einzige Mittel, das Schreckgespenst des FN wirklich zu bannen. (Stefan Brändle aus Paris, 15.12.2015)