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Am Samstag wurden auf Demonstrationen gegen die Regierung neben polnischen auch zahlreiche EU-Flaggen geschwungen.

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Mit Nationalflaggen und patriotischen Slogans unterstützten tausende Polen die rechtsnationale Führung ihres Landes. Auch der polnische Papst Johannes Paul II. gehört zu ihren Symbolfiguren.

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Weiß-rote Fahnen, so weit das Auge reicht: Tausende Demonstranten marschierten am Sonntag bei Eiseskälte, Wind und Regen durch Polens Hauptstadt Warschau, allen voran Jaroslaw Kaczynski, Chef der rechtsnationalen Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS) und zurzeit der mächtigste Mann Polens.

Kaczynski, der in den Jahren 2006 und 2007 Premier Polens war und nach dem Unfalltod seines Zwillingsbruders Lech in Smolensk versucht hatte, ihn als Präsidenten Polens zu beerben, klagte in einer flammenden Rede auf dem Drei-Kreuz-Platz "die anderen" an, politische Heuchler zu sein. Sie würden die Demokratie nicht verteidigen, wie sie behaupteten, sondern den Siegern der Parlamentswahlen vom Oktober das Recht verweigern, Polen zu regieren. "Wir haben die Wahlen gewonnen, und sie erlauben uns nicht, dieses Land umzubauen. Polen muss aber umgebaut werden, und das muss ein großer Umbau sein", empörte er sich.

Diejenigen, die in der Zeit der Volksrepublik verhindert hätten, dass der polnische Papst Johannes Paul II. ein drittes Mal das damals kommunistisch regierte Polen besuchte, würden jetzt auch gegen die PiS-Regierung mobilmachen. Diejenigen, die da angeblich für die Demokratie kämpften, hätten nur die Interessen einer kleinen Gruppe im Auge. Sie hätten sich den Fremden im Ausland verkauft oder auch denjenigen im Lande, die nichts mit den Interessen der Mehrheit der Polen gemein hätten. "Deren Widerstand müssen wir brechen. Das schaffen wir!"

Auch Journalisten, die der neuen Regierung und ihren Parteigängern nicht genehm sind, waren Ziel der Kritik: Ein Priester rückte der linksliberalen Tageszeitung "Gazeta Wyborcza" mit einer "Teufelsaustreibung" zu Leibe. Umringt von Mitgliedern nationalkonservativer Gruppen aus dem Umfeld der PiS, sprach er vor dem Warschauer Verlagshaus des Blattes ein Exorzismusgebet. Die Teilnehmer der Aktion trugen unter anderem ein Transparent mit der Aufschrift "Kreuzzug für das Vaterland".

Kräftemessen auf der Straße

Nur einen Tag zuvor, am Samstag, hatte in Warschau noch eine völlig andere Stimmung geherrscht. Auf dem Protestmarsch des "Komitees zur Verteidigung der Demokratie" hatten Demonstranten neben polnischen auch zahlreiche EU-Flaggen geschwungen. 50.000 Gegner der seit einem Monat regierenden PiS protestierten gegen die Politik der neuen Minister und der PiS-Abgeordneten im Parlament. Vor dem Verfassungsgericht skandierten sie "de-mo-kra-cja" (Demokratie) und "kon-sty-tu-cja" (Verfassung). Mit den Hymnen "Freude schöner Götterfunken" und "Noch ist Polen nicht verloren" machten sich diejenigen gegenseitig Mut, die die polnische Demokratie in Gefahr sehen. Auch in Krakau, Breslau, Posen, Stettin und mehreren kleineren Städten demonstrierten Menschen gegen die Regierung.

"Mehrheit bedeutet nicht Diktatur", sagte Mateusz Kijowski, der Gründer des "Komitees zur Verteidigung der Demokratie". Es könne nicht sein, dass die neue Regierung, nur weil sie die absolute Mehrheit im Parlament habe und auch der Präsident aus den Reihen der PiS stamme, den Rechtsstaat aus den Angeln hebe. Das Verfassungsgericht sei Hüter der Verfassung. Seine Urteile seien endgültig und sowohl vom Präsidenten als auch vom Parlament zu respektieren und umzusetzen.

Streit um Verfassungsrichter

Kijowski spielte damit auf den aktuellen Konflikt um das Verfassungsgericht an. Dabei geht es um die Besetzung von fünf Richterstellen in dem insgesamt 15-köpfigen Gremium. Die PiS weigert sich, drei Richter anzuerkennen, die noch das Vorgängerparlament ausgewählt hatte. Statt zwei der im Dezember frei gewordenen Stellen zu besetzen, hatte das neue Parlament gleich fünf parteinahe Richter ernannt, die sofort von Präsident Duda vereidigt wurden. Das ist verfassungswidrig, urteilte das Verfassungsgericht. Präsident, Premier und Parlament müssten dieses Urteil nun eigentlich umsetzen. Doch der Kampf ist noch nicht ausgestanden. PiS-Chef Kaczynski sagte in einer Sendung von TV Republika, das Urteil der Verfassungsrichter sei zweifelhaft und könne nicht in Kraft treten. (Gabriele Lesser aus Warschau, 15.12.2015)