Am Schluss siegten Koffein, Adrenalin und wechselseitiges Vertrauen. In den letzten drei Verhandlungstagen der zweiwöchigen UN-Klimakonferenz in Paris schliefen hochrangige Diplomaten auf Fußböden oder machten mithilfe von Augenmasken Nickerchen im Sitzen. Doch gerade die Erschöpfung barg eine Chance: Statt ausufernder Diplomatie kamen die Delegierten in den letzten Stunden direkt auf den Punkt, scherzte ein Delegierter vom Inselstaat Samoa. Der neue Vertrag ist klar zu verstehen: Die Ära der fossilen Energieträger soll in den nächsten Jahrzehnten enden. Doch die richtige Arbeit beginnt erst jetzt, wenn dem zähen Ringen die zähe Umsetzung in den Nationalstaaten folgt.

Auch Österreich hat harte Arbeit vor sich. Umweltminister Andrä Rupprechter räumte bereits im Vorfeld des Gipfels im STANDARD-Gespräch ein, dass er sich diesmal nicht mit einer ökosozialen Komponente für die Steuerreform durchsetzen konnte. Bei der nächsten Etappe muss dieser Schritt aber gesetzt werden, damit Österreich in Sachen Klimaschutz glaubwürdig bleibt. Weiterhin subventioniert Österreich Kohle, wenn daraus Strom erzeugt wird. Eigentlich ein Skandal, dass diese Unterstützung erst ab 2020 fällt. Dies hat angesichts der Dringlichkeit beim Klimaschutz einen schalen Beigeschmack.

Auch beim Straßenverkehr, den Österreich mit vergleichsweise niedrigen Mineralölsteuern belegt, ist die Regierung säumig. Ja, Österreich ist ein Binnenland im Herzen Europas. Aber um den Tanktourismus hintanzuhalten, gilt es, die Steuern zumindest auf europäische Durchschnittswerte zu erhöhen.

Denn Erdöl ist weltweit noch immer die meist genutzte Energiequelle. Es erhält viermal so viele Subventionen wie erneuerbare Energien. Laut Wissenschaftern müsste man aber 80 Prozent der fossilen Brennstoffe im Boden lassen, um die geplante Zwei-Grad-Grenze halten zu können, auf die sich die Staaten geeinigt haben.

Nicht umsonst ist Österreich heuer im Klimaschutzindex der Umweltschutzorganisation Germanwatch von Platz 36 auf 45 abgerutscht. Und innerhalb der EU, die die Klimaziele bisher erreicht hat, ist Österreich eines der wenigen Länder, die die Vorgaben nicht einhielt.

Doch vielleicht gibt der Schwung aus Paris nun den nötigen Rückenwind. Der Vertrag wird zu Recht von Konferenzleiter Laurent Fabius als historisch bezeichnet. Zum ersten Mal verpflichten sich fast alle Staaten der Welt zum Klimaschutz. Ab 2050 soll der Ausstoß an Emissionen auf null sinken. Das Kyoto-Protokoll von 1997 griff hier deutlich kürzer, indem es nur Industrieländer in die Pflicht nahm.

Nun wird sich weisen, ob das gegenseitige Vertrauen gerechtfertigt war. Laut Berechnungen werden die von den Nationalstaaten eingereichten Ziele noch immer zu einem Plus bei der Durchschnittstemperatur von 2,7 Grad Celsius führen – verglichen mit der Zeit vor der Industrialisierung. Alle fünf Jahre soll nachgeschärft werden. Nur hier liegt die Chance, dass die Ziele tatsächlich eingehalten werden.

Der Mut zur Wende kommt auch aus der Zivilgesellschaft: Der öffentliche Druck ist größer geworden. Tausende marschierten auf den Straßen von Paris. Mit Slogans wie "Ändern wir das System – nicht das Klima" forderten sie eine neue Weltordnung: Wenn das alles ernst gemeint war, muss sich die Menschheit schnell von Kohle, Gas und Erdöl verabschieden (Julia Schilly, 13.12.2015)