Es wird also eine neue, umfangreichere Studie über islamische Kindergärten geben. Das ist das Ergebnis des mäßig zielführenden Koalitionsstreits von Integrationsminister Sebastian Kurz und der Wiener Stadträtin Sonja Wehsely über die Fragwürdigkeit etlicher islamischer Kindergärten in Wien.
Aber die wirkliche Frage ist: Welche realen und hoffentlich positiven Auswirkungen wird das alles für die Integration der Muslime in Österreich haben? Die beiden Regierungsparteien üben sich – wie bei fast allen Themen – in steriler Aufgeregtheit. Und vernachlässigen dabei den entscheidenden Punkt: Wird es möglich sein, einen modernen, aufgeklärten, nicht radikalen Islam in Europa zu etablieren? Davon hängt unser sozialer Friede ab.
Verbote und Kontrollen, die ÖVP und FPÖ so lieben, mögen manchmal notwendig sein. Aber das garantiert nicht die Entstehung eines "europäischen Islam", der die Religion als freiwilligen Teil des Lebens, nicht als absoluten Überbau betrachtet. Genauso wenig wie die Neigung von SPÖ und Grünen, politisch korrekt wegzuschauen.
Der Autor der von Kurz beauftragten Studie, Prof. Ednan Aslan, der Leiter des (einzigen) islamwissenschaftlichen Uni-Instituts (in Wien), ist in diesem Zusammenhang eine Schlüsselfigur. Aslan, mit türkischem Hintergrund, ist ein sehr interessanter Islamwissenschafter in dem Sinn, dass man von ihm Dinge hört, die von anderen muslimischen Gelehrten wohl als Häresie betrachtet werden.
Wenn von den Gräueltaten des IS und Ähnlichem die Rede ist, heißt es oft: "Das hat mit dem (wahren) Islam nichts zu tun." Aslan sagt aber: "Es hat sehr wohl etwas damit zu tun, denn in der Sunna (Handlungsweise, Brauch des Propheten) steht einiges, was auch der IS praktiziert – Enthauptungen, Steinigungen, Verbrennen." Der entscheidende Punkt aber sei, dass man die soziale Realität des siebenten Jahrhunderts nicht auf das Heute übertragen dürfe. "Das sind Gesetze dieser Zeit. Die Menschen müssen die Freiheit haben, eine eigene Theologie zu entwickeln, eine ethische, nicht eine gesellschaftspolitische Deutung vorzunehmen." Für Fundamentalisten, für die der Koran das "unerschaffene", unantastbare Wort Gottes ist (ähnlich wie das Alte Testament für die Evangelikalen), dürfte diese Sichtweise ein größeres Problem sein.
Aslan rührt aber auch noch an ein ebenso großes Tabu: Junge Muslime würden im Elternhaus, in der religiösen Erziehung und offenbar auch im Kindergarten lernen, andere Religionen zu verachten ("Wir sind die Besseren", "Wir und die anderen"), was Radikalisierung begünstige. Daher: ein Islam europäischer Prägung, der mit der umgebenden Gesellschaft (die großteils areligiös ist) besser vereinbar wäre.
Dafür gibt es allerdings erst relativ bescheidene Ansätze, und Aslan lässt im Gespräch keinen Zweifel, dass die offiziellen Verbände, in Österreich die Islamische Glaubensgemeinschaft, zu starr, zu konservativ und auch zu selbstgerecht sind. Dass sie zwar einen offiziellen Dialog betreiben, aber wenig Neigung zeigen, kritisches Hinterfragen zuzulassen. Da ist was dran. (Hans Rauscher, 11.12.2015)