Der Verein Immo-Humana vermittelt Unterkünfte für Mütter in Wohnungsnot, etwa jener der afghanischen Familie A., die in einer Wohnung im vierten Bezirk in Wien wohnt. Franziska Zoidl hat sie besucht.

"Wir wohnen seit Mai in dieser Wohnung im vierten Bezirk. Unsere Familie besteht aus uns Kindern Amena, Sumaya und Zainab sowie unserer Mutter Zahra. Hier sind wir endlich alle unter einem Dach. Davor war Amena mit Mutter in einem Flüchtlingsheim im 21. Bezirk, Zainab und Sumaya bei unseren Großeltern, die seit 15 Jahren in Wien leben.

Sumaya und Amena mit ihrer Mutter Zahra und ihrer kleinen Schwester Zainab (von links) in ihrem Wohnzimmer. Nur ein Schreibtisch fehlt ihnen hier manchmal – und ein Fernseher.
Foto: Lisi Specht

Wir sind sehr dankbar, dass wir diese Wohnung gefunden haben. Alle, die wir uns zuvor angeschaut hatten, waren zu teuer und zu klein, manchmal auch sehr heruntergekommen. Die Kaution konnten wir uns auch nicht leisten. Unsere Tante stellte den Kontakt zu Immo-Humana her und erzählte ihnen unsere Geschichte. Gemeinsam mit ihr hat sich unsere Mutter die Wohnung angeschaut. Immo-Humana ist hier Hauptmieter – innerhalb zweier Wochen sind wir eingezogen.

Die Wohnung ist etwa 85 Quadratmeter groß und besteht aus Vorzimmer, Küche, Wo hnzimmer und einem Schlafzimmer, in dem wir Kinder schlafen. Unsere Mutter schläft im Wohnzimmer auf der Couch.

Was wir super finden: Alle Zimmer sind Durchgangszimmer, wir laufen also oft durch alle Räume und spielen Fangen. Außerdem hat die Wohnung einen Balkon, der über den Gang zugänglich ist.

Die meisten Möbel sind von Immo-Humana – die Betten und die Couch zum Beispiel. Der Esstisch ist von Sumayas Lehrerin. Als sie erfuhr, dass wir eine Wohnung gefunden haben, hat sie gesagt, wir könnten uns den Tisch abholen. Den Couchtisch hat unsere Mutter gekauft. Die Teppiche haben wir von Verwandten bekommen.

Was uns noch fehlt: Amena wünscht sich einen Schreibtisch. Wenn der Esstisch besetzt ist, wird sie stinksauer, weil sie ihre Hausaufgaben auf dem Bett machen muss und dann nicht so schön schreiben kann. Einen Fernseher haben wir auch nicht, aber wir haben zwei Handys, auf denen wir fernschauen können – am liebsten den Disney Channel.

Das größte Hobby unserer Mama sind ihre Blumen: Auf dem Tisch und im Vorzimmer befinden sich unzählige Pflanzen, die sie zum Teil aus Samen aufgezogen hat. Wir dürfen gar nicht in ihre Nähe kommen. Mama wünscht sich ein Haus mit Garten. Wir sagen dann immer: 'Mama, du träumst gerade.'

Vor vier Jahren und fünf Monaten haben wir Afghanistan verlassen. Die Eltern unseres Vaters wollten unsere Mutter hinausschmeißen. Über den Iran und die Türkei kamen wir nach Griechenland. Dort wurden wir getrennt. Zainab und Sumaya kletterten in einen Lkw, der uns alle mitnehmen sollte. Amena und unsere Mama hatten plötzlich keinen Platz mehr darin. Der Fahrer versprach, dass er sie am nächsten Tag abholen würde. Er ist aber nicht zurückgekommen. Sechs Monate lang wusste unsere Mutter nicht, wo die beiden sind. Schließlich erfuhr sie, dass Zainab und Sumaya in Wien gelandet waren und bei unseren Großeltern lebten. Diese hatten wir noch nie zuvor gesehen. Sie wussten nicht einmal, dass es uns gibt, weil unsere Mutter 14 Jahre keinen Kontakt mit ihnen haben durfte.

Das Leben in Österreich ist viel besser als in Afghanistan. Tausendmal besser. Uns gefällt es hier, weil Österreich ein freies Land ohne Krieg ist. In Afghanistan schauen die Häuser ganz anders aus. Alles einstöckig und sandfarben. Unser Haus war vom Vater des Vaters unseres Vaters erbaut worden – oder so ähnlich. Die Tiere sind frei herumgelaufen. Wir hatten Kühe, Schafe und Ziegen und lebten in einem kleinen Dorf. Wir wissen nicht, ob wir auf Besuch zurückfahren würden.

Einen großen Wunsch haben wir: dass wir unseren kleinen Bruder herholen können. Er wurde uns vor sechs Jahren von der Familie unseres Vaters weggenommen. Wir wissen nicht einmal, wo er heute lebt." (Franziska Zoidl, 14.12.2015)