Kaum hatte Osram-Chef Olaf Berlien seine Pläne für die Zukunft des Lichtkonzerns vorgelegt, brach der Aktienkurs um ein Drittel ein. Eine Milliarde Euro für eine neue LED-Fabrik ist vielen Kapitalanlegern zu riskant und zu teuer. Aber Vorstand und Arbeitnehmervertreter zeigen sich unbeirrt – denn sonst drohe das Aus.

"Wenn wir das nicht machen, dann reden wir langfristig nur über das Abwickeln der Firma Osram", sagte Aufsichtsrat und IG-Metall-Sprecher Michael Knuth am Dienstag der Deutschen Presse-Agentur. Und Berlien sagte dem "Handelsblatt": "Stillstand ist der Tod."

Das traditionelle Lampengeschäft schrumpft, schreibt rote Zahlen und soll bis nächsten Sommer für einige hundert Millionen Euro verkauft werden – neben dem technischen Wandel machte vor allem die billige Konkurrenz aus Asien dem Geschäft zu schaffen. Auch der europäische Rivale Philips verordnete sich einen Radikalumbau.

Geld verdient Osram heute mit der Herstellung von LED-Chips, Auto- und Bühnenscheinwerfern. Bei optoelektronischen LED-Chips ist Osram weltweit die Nummer zwei, die Sparte ist hoch profitabel, und beim Autolicht ist Osram sogar Weltmarktführer. Warum also etwas ändern?

Weil der Markt in diesen Nischen nur langsam wächst und die Konkurrenz hineindrängt, erklärt Spartenchef Aldo Kamper bei einer Werksführung in Regensburg. "Das Dach muss repariert werden, solange die Sonne noch scheint."

Im Auto für Fernlicht sorgen, dass die Straße hell erleuchtet, aber die entgegenkommenden Autos exakt ausspart und nicht blendet – das können heute nur wenige. Dafür braucht es viel Know-how und leistungsstarke LED. Mit Infrarot-LED lässt sich erkennen, ob dem Fahrer die Augen zuzufallen drohen und er zu einer Pause aufgefordert werden muss, ob er bei automatisiertem Fahren auf die Straße oder auf die Beifahrerin schaut – selbst wenn er eine Sonnenbrille trägt. Auch mit Chips für Robotersteuerung und Sensorik in Fabriken, für riesige Videoleinwände, mit Bühnenscheinwerfern und Fassadenbeleuchtungen verdient Osram heute Geld.

Aber die LED für die Allgemeinbeleuchtung werden besser. "Für uns wächst das Risiko, dass sie uns irgendwann das Wasser abgraben", sagt Kamper. "Dann können wir uns immer weiter in unsere Nische zurückziehen. Und irgendwann sind wir tot."

Statt auf Verteidigung setzt Osram jetzt auf Angriff. Denn der LED-Markt für Allgemeinbeleuchtung ist auch mit Abstand der größte – und er wächst am schnellsten. "Das können wir nicht links liegen lassen", sagt Kamper. Mit der neuen LED-Fabrik in Malaysia will Osram sein Geschäft bei der Allgemeinbeleuchtung kräftig ausbauen. "Die Technologie ist nicht dramatisch anders. Für den Blitz im Handy und für den Scheinwerfer im Auto können wir den gleichen Chip in der gleichen Anlage produzieren." Mit den Synergien bei Entwicklung und Einkauf und dem größeren Volumen könne Osram eine hohe Gewinnmarge halten.

Skepsis

Die Börse bleibt jedoch skeptisch. Die Pläne hätten zwar langfristig Wachstumspotenzial, belasteten aber vorerst die Ergebnisse, erklärte Analyst Andreas Willi von der US-Bank JPMorgan. Die neue Strategie mache zwar Sinn, sie sei aber eine Herkulesaufgabe und auch riskant, so Peter Reilly vom Analysehaus Jefferies. Sein Kollege Alasdair Leslie von der französische Großbank Societe Generale kritisierte, Chancen und Risiken der neuen Strategie seien ungünstiger und die Gewinnmargen seien kleiner. Union-Investment-Fondsmanager Michael Muders forderte Osram im "Managermagazin" auf, die Pläne bis zur Hauptversammlung im Februar zu stoppen.

Investments führen zu Kritik

Manche Investoren reagierten verschnupft, wenn Gewinne wieder investiert statt an die Aktionäre ausgeschüttet würden, sagte Arbeitnehmervertreter Knuth. Aber "wir halten das für richtig". Das Risiko sei überschaubar. "Der Weltmarkt für Licht geht hoch. Warum soll Osram dann stehenbleiben?"

Wenn 2019 ein Teil der Herstellung der LED-Scheiben von Regensburg ins neue Werk in Malaysia verlagert werde, berühre das zwar 150 Arbeitsplätze. Aber parallel werde das Projektgeschäft gestärkt und Neues aufgebaut. Die Investition werde das Werk in Regensburg mit seinen 2.000 Mitarbeitern langfristig eher sichern, sagte Knuth. "Regensburg ist zum großen Teil Entwicklung. Das sind hochqualifizierte und gut bezahlte Arbeitsplätze." Dort werden gerade wieder neue Ingenieure gesucht. (APA, 8.12.2015)