Wien – Die von der Republik Österreich herausgegebene "Wiener Zeitung" bekommt ein eigenes Redaktionsstatut. Das Statut, das die Zusammenarbeit zwischen Eigentümer, Herausgeber, Geschäftsführung, Chefredaktion und Redaktion in journalistischen und redaktionellen Fragen sowie die journalistische Freiheit und Qualität regeln soll, wurde am Montag feierlich unterzeichnet.

Die "Wiener Zeitung" erhält damit eine definierte Blattlinie, die Redaktion mehr Mitwirkungsrechte bei strukturellen Änderungen im Blatt und bei der Bestellung von Führungskräften. Zentraler Punkt: Die Redaktionsversammlung der Zeitung kann einen neuen Chefredakteur künftig mit Zweidrittel-Mehrheit ablehnen. Bisher hatte laut Staatsdruckereigesetz nur der Bundeskanzler ein Veto-Recht.

"Nicht selbstverständlich"

"Mit dem Redaktionsstatut der Wiener Zeitung wird die demokratische Mitbestimmung durch die Journalistinnen und Journalisten in der Redaktion gesichert und gestärkt. Ein Schritt, der die Arbeitsbedingungen für einen unabhängigen und kritischen Journalismus in einer der ältesten noch erscheinenden Tageszeitungen weiter ausbaut", sagte Medienminister Josef Ostermayer (SPÖ) als Eigentümervertreter bei der Unterfertigung des Statuts.

"Wiener Zeitung"-Geschäftsführer Wolfgang Riedler dankte dem Herausgeber. "Das ist alles nicht selbstverständlich. Viele private Herausgeber sind mit dem Gewähren von Redaktionsstatuten ja sehr zurückhaltend. Das neue Statut ist ein starkes Signal, dass die Unabhängigkeit, Objektivität und Qualität der Zeitung von Herausgeberseite als wichtiges Asset gesehen wird."

"Ausdruck eines neuen Selbstverständnisses"

Zentral ist für Riedler dabei "alles, was sicherstellt, dass im Rahmen unseres öffentlich-rechtlichen Auftrags die Qualität der Berichterstattung durch äußere Einflüsse nicht beeinträchtigt werden kann. Das bedeutet nicht, dass Politiker bisher angerufen, sich beschwert oder eine bestimmte Berichterstattung forciert hätten, aber es ist ganz wichtig, dass Unabhängigkeit und Qualität vom Eigentümer festgeschrieben werden."

"Das Redaktionsstatut ist auch Ausdruck eines neuen Selbstverständnisses der Redaktion", erklärte Redaktionsbeiratsvorsitzender Simon Rosner im Gespräch mit der APA. "Das ist ein wichtiger Puzzle-Stein. Uns ist wichtig, dass damit die Unabhängigkeit der Redaktion gesichert wird und wir ein Mitspracherecht haben, auch wenn sich die politische Lage ändern sollte."

Äquidistanz zur Politik

Das neue Redaktionsstatut wurde auf unbefristete Zeit abgeschlossen und bleibt von Änderungen in der Eigentümerstruktur unberührt. In der Redaktionsversammlung der "Wiener Zeitung" gab es für das Statut eine 100-prozentige Zustimmung.

Erstmals gibt es nun eine definierte Blattlinie für das im Eigentum der Republik stehende Medium: Die "Wiener Zeitung" ist demnach eine überparteiliche, multimediale Tageszeitung und versteht sich als Autorenzeitung mit umfassender Berichterstattung aus den verschiedensten Lebensbereichen. Die Zeitung bekennt sich zu den rechtsstaatlichen Prinzipien der Bundesverfassung, insbesondere zur parlamentarischen Demokratie und Meinungsvielfalt sowie zur Europäischen Integration. Festgehalten wird auch die Äquidistanz zu politischen Parteien und anderen Institutionen. Die Redaktion agiere unabhängig und frei von jeglicher äußeren Einflussnahme.

Rechte der Redaktion

Wichtigster Punkt des Redaktionsstatuts ist das Mitwirkungsrecht der Redaktion bei der Bestellung eines neuen Chefredakteurs. Laut Statut darf künftig ein Chefredakteur vom Bundeskanzler nicht bestellt werden, wenn sich in einer geheimen Abstimmung der Redaktionsversammlung eine Zwei-Drittel-Mehrheit der abgegebenen gültigen Stimmen gegen den vorgeschlagenen Kandidaten ausspricht. Dies ist von Bedeutung, das in der Vergangenheit bei einem Wechsel und neuen Machtverhältnissen in der Regierung auch ein neuer Chefredakteur bei der "Wiener Zeitung" installiert wurde.

Der Redaktionsbeirat hat zudem ein Anhörungsrecht bei der Bestellung, Wiederbestellung oder Abberufung von Ressortleitern und Leitenden Redakteuren, bei gravierenden Layout-Änderungen, bei der Budgeterstellung sowie gravierenden Änderungen der redaktionellen Struktur, der Blattstruktur oder der Erscheinungsweise.

Gleichzeitig mit der Unterfertigung des Statuts wurde im Presseclub Concordia am Montag eine Ausstellung über die "Wiener Zeitung" in der Zweiten Republik eröffnet. (APA, 7.12.2015)