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Viele Schwellen- und Entwicklungsländer sind von den Folgen des Klimawandels besonders betroffen.

Foto: REUTERS / Stringer

Paris – Es ist ein mehrmonatiger Verhandlungsmarathon mit zweiwöchigem Endspurt: Die Verhandlungen für den Weltklimavertrag gehen an die Substanz, auch bei Giza Gaspar-Martins. Der 43-Jährige aus Angola koordiniert bei der Pariser Klimakonferenz eine Ländergruppe von 48 besonders armen Staaten.

"Das ist eine extreme Herausforderung", sagt Gaspar-Martins. Etwa wenn es darum geht, dreißig gleichzeitig stattfindende Expertentreffen zu besetzen. Für Innehalten ist keine Zeit: "Wir haben Mitglieder, deren Überleben auf dem Spiel steht", sagt der Diplomat.

"Least developed countries"

Die Gruppe, deren Arbeit Gaspar-Martins in Paris organisiert, heißt im UN-Jargon LDC. Das steht für die am wenigsten entwickelten Länder der Welt ("least developed countries"). Für die Allianz, der neben Afghanistan und kleinen Inselstaaten vor allem afrikanische Länder angehören, geht es beim Klimawandel um alles: "Die Wirkungen des Klimawandels verschlimmern sich in den am wenigsten entwickelten Ländern, einfach weil wir am wenigsten dafür gerüstet sind", sagt der Klima-Diplomat.

Staaten, die die UN als LDCs einstuft, haben eine Menge Probleme: Ihre Bevölkerungen sind vergleichsweise schlecht ausgebildet, hinzu kommen Unterernährung und hohe Kindersterblichkeit. Das Pro-Kopf-Einkommen ist niedrig, die Wirtschaft anfällig für Schocks, etwa, weil sie sehr stark von nur einem Produkt oder einer Dienstleistung abhängt, erklärt Gaspar-Martins. Da könne schon ein einziges Wetterereignis fatale Folgen haben: "Ein Ereignis von zwei oder drei Stunden kann die Infrastruktur eines Landes auslöschen – die soziale und ökonomische Infrastruktur, die das Leben erhält."

Wetterextreme treffen arme Länder mehr

Ein ähnliches Fazit zog jüngst auch die Umweltorganisation Germanwatch in ihrem aktuellen Klima-Risiko-Index: Hitzewellen, Überschwemmungen und andere Wetterkatastrophen treffen vor allem arme Entwicklungsländer. "Es trifft vor allem diejenigen, die am wenigsten dazu beigetragen haben und die sich am schlechtesten schützen können", bilanzierte Autor Söhnke Kreft.

Die armen Länder machen sich deshalb bei den Pariser Verhandlungen für ehrgeizige Klimaziele stark. Wenn die Politik den Empfehlungen der Wissenschafter Gehör schenke, dann müsse die von Treibhausgasen befeuerte Erderwärmung auf maximal 1,5 Grad gegenüber dem vorindustriellen Zeitalter begrenzt werden – genau das ist einer der Knackpunkte der Verhandlungen. Bisher konnte sich die Weltgemeinschaft nur auf ein Ziel von höchstens zwei Grad einigen.

Vertrauensfrage

Zudem müssten sich die 196 Verhandlungspartner auf ein bindendes Klimaabkommen einigen. "Eins der Übel, die den Prozess bisher heimgesucht haben, ist die Frage des Vertrauens" in die Zusagen, meint Gaspar-Martins. Da helfe nur die Festlegung, dass gesetzte Ziele auch umgesetzt werden. Schließlich fordert die Gruppe finanzielle Hilfen entwickelter Länder. Doch in all diesen Punkten sind die Gespräche festgefahren. Gleichzeitig drängt die Zeit: Bis Freitag soll der Weltklimavertrag stehen.

Wer engagiert für die eigenen Ziele kämpft, macht Abstriche beim Schlaf, das ist bei allen Parteien so auf dem Konferenzgelände in Le Bourget bei Paris. "Ich habe Le Bourget an keinem der Tage, die wir hier sind, vor Mitternacht verlassen", sagt Gaspar-Martins. "Gegen sechs Uhr kommen wir zurück und alles fängt von vorne an." Dazwischen isst er, ruft die Familie daheim an, tüftelt Verhandlungsstrategien aus – und schläft ein wenig.

Allianz armer Staaten grundlegend

Für die unterentwickelten Länder ist der Extremsport Klimaverhandlung noch einmal besonders hart. Damit auch arme Länder vertreten sind, bekommen sie Zuschüsse aus einem speziellen Fonds der Vereinten Nationen, in den Spender wie Deutschland freiwillig einzahlen. "Wir brauchen alle finanzielle Unterstützung", sagt Gaspar-Martins. Geld gebe es für zwei bis drei Delegierte pro Land. Wenn einer davon sich ums Organisatorische kümmere und ein zweiter politische Gespräche führe, bleibe nur ein Unterhändler übrig, rechnet Gaspar-Martins vor – für ein ganzes Land und mehrere Dutzend Sitzungen pro Tag.

Umso wichtiger ist es für arme Staaten, sich zu einer Allianz wie der LDC-Gruppe zusammenzuschließen. Das erfordert Kompromissbereitschaft zwischen Ländern von Afghanistan bis zur Pazifikinsel Tuvalu. Aber die Gruppe kann auch als Verstärker für die Anliegen der Kleinen wirken, erklärt Gaspar-Martins. (APA, dpa, 7.12.2015)