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Selbstbild mit Fan-Selfie – so umschwärmt sieht Hans Niessl seine Rolle innerhalb der Sozialdemokratie.

Foto: APA7Hochmuth

Eisenstadt – Wer den Hans Niessl verstehen möchte, sollte der Sonja Wehsely zuhören. Die Wiener Sozialstadträtin hat unlängst den burgenländischen Landeshauptmann in Asylfragen unsozialdemokratischer Umtriebe geziehen. Niessl stünde nämlich "mit seiner Linie in der SPÖ ganz alleine da". In Eisenstadt hat man sich kopfschüttelnd gefragt, von welcher SPÖ die Wehsely da gesprochen hat. Die, in welcher der Hans Niessl zugange ist, könne sie nicht im Auge gehabt haben. In der schaue es ganz anders aus.

Es ist schon ein merkwürdiges Schauspiel, das die SPÖ da im Moment bietet. Während die Landes- und Bundeswiener dem Burgenländer Werteverlust ankreiden, spricht der von deren Realitätsverlust. Beide beklagen sie anhaltenden Stimmenverlust. Der führte gar zum Verlust des Landeshauptmanns in der Steiermark. Was aber in Wien dem Franz Voves als vorbildliche Wertehaltung hoch angerechnet wurde, weil er so hatte vermeiden können, was das Burgenland zum Paria unter den roten Landesgruppen gemacht hat. Das aber ließ den Hans Niessl dann erst recht zweifeln am Wirklichkeitssinn der, nun ja, ja: Genossinnen und Genossen.

Vovesnachfolge

Man wird wohl nicht sehr daneben liegen, die Entscheidung des Franz Voves, zugunsten seines schwarzen Reformfreundes Hermann Schützenhöfer auf den Landeshauptmann zu verzichten, um die FPÖ weiter draußen zu halten, für den entscheidenden Wendepunkt im Auftreten des Hans Niessl anzusehen. Denn eine solche Entscheidung – und eine solche Reaktion darauf – liegt so sehr außerhalb der Niessl'schen Vorstellungskraft, dass in ihm die Überzeugung heranwuchs, die Partei vor ihren Werteschützern schützen zu müssen. Oder das jedenfalls zu versuchen.

Für einen wie Hans Niessl war der politische Hauptgegner ja nie die FPÖ. Sondern – darin zumindest in des Bruno Kreiskys großen Stapfen – stets die ÖVP, mit deren Innenministerinnen er gerne in den Ring stieg und weiterhin steigt. Maria Fekter rang er vor sechs Jahren nieder, als sie in der Einschicht des südburgenländischen Eberau ein Asylerstaufnahmezentrum errichten wollte. In Bruckneudorf werde sich, versicherte er, nun Johanna Mikl-Leitner die Zähne ausbeißen.

Und falls Parteifreund Gerald Klug ihm dabei in die Quere zu kommen beabsichtigt, wird auch er sich wohl zu hüten haben. Niessl, so heißt es, habe Klug die Leitha als Rubikon beschrieben: Das Öffnen der Benedek-Kaserne für hunderte Flüchtlinge sei ein Kriegsgrund.

Die Rolle als Retter des rechten Randes in der SPÖ ist dem Hans Niessl – der bis vor einem Jahr noch so auffällig unauffällig war – keineswegs auf den Leib geschneidert. Es hat sich ergeben. Auch dadurch, dass mit Franz Voves die bärbeißige Widerrede aus Transsemmering verschwunden ist. Die aus Transleithanien ist zwar kein wirklicher Ersatz, dafür stört es auch den Hans Niessl nicht, wenn ihm der Wind ins Gesicht bläst. Nach 15 Landeshauptmannjahren hat er auch das Burgenland so weit im Griff, dass ihm Zeit und Kraft bleibt, sich solchen Rettungsaktionen (aus Wiener Sicht: Quertreibereien) mit zunehmender Leidenschaft zu widmen und sich dabei im Schein föderaler Gloriole sogar mit dem schwarzen Erwin Pröll zusammentun, um die eigene Bildungsministerin in ihrer Reformkommission im Regen stehen zu lassen, in den dann der Wiener Bürgermeister rücken musste.

Man sollte bei so was die Eitelkeit nicht zu gering schätzen. Zwar wäre es weit daneben anzunehmen, Niessl sonne sich bloß unbedarft im Glanz wohlwollender Krone-Geschichten, aber ganz außer Acht darf man das auch nicht lassen, zumal er mit der Kronen Zeitung quasi zwei Fliegen erschlagzeilen kann. Immerhin ist sie – war sie? – das Leib- und Magenblatt des Kanzlers.

Wichtiger freilich als solch medialer Hype ist ihm dann aber schon der Volksmund, der freilich mit dem medialen Vorkommen zusammen- beziehungsweise davon abhängt. Hunderte Mails habe er bekommen auf die dienstägige Krone-Geschichte hin, in der er eine Änderung in der Asylpolitik verlangte. "95 Prozent davon zustimmend." Freunde erzählen, dass ihn in der vergangenen Woche immer wieder Leute angesprochen und aufgemuntert hätten weiterzutun. Nicht nur im Burgenland. "Da ist er dann nicht mehr 1,70 groß, sondern fast 2,10."

So wähnt er sich dann auf Augenhöhe mit dem Wiener Bürgermeister, dessen Liebesentzug ihm in all den innerparteilichen Querelen wohl am meisten zu schaffen macht. Dem Vernehmen nach genoss er das Zusammenhocken mit Michael Häupl. Und das sagt einiges. Denn ein Genussmensch nach dem Renaissancezuschnitt des Bürgermeisters ist Niessl durchaus nicht. Dass Häupl den freundlich-jovialen Ton des Fiakers niesslbezüglich auf den des Kapskutschers eingefroren hat, trifft ihn mehr als alles andere. "Relativ inhaltsleer", seien die Zurufe aus Eisenstadt, grantelte der Wiener am vergangenen Dienstag.

Flügelspannweite

Fast wortgleich, hört man, seien aber die Wehsely'schen Auslassungen in Eisenstadt kommentiert worden. Denn Niessl sieht sich in der SPÖ keineswegs isoliert, sondern getragen von einer übers kleine Burgenland hinausrollenden Welle der Zustimmung.

Die SPÖ hat ja stets mit zwei Flügeln gelebt. Nur dadurch – das wird in Eisenstadt so diskutiert – war sie flugfähig. Fähig also, eine Volkspartei zu sein, die sie in Wahrheit aber eh nur noch in Wien (39,6 Prozent) und im Burgenland (41,9) ist. Aber auch dort mit deutlicher Abwärtstendenz.

Die wenigstens zu bremsen ist des Hans Niessl Animo, parteiintern die Lanze einzulegen. Mag sein, das Pferd heißt Rosinante. Aber das lässt sich ebenso nur im Sattel herausfinden wie die Frage, ob die Gegner dort vorn nicht doch Windmühlen sind. Und der daneben Sancho Panza.(Wolfgang Weisgram, 6.12.2015)