Inge Rauscher (2. v. re): Ihr Volksbegehren erreichte 261.056 Unterstützer

Foto: EU-Austrittsvolksbegehren

Wien – Dort, wo sonst die Minister sitzen, saß am Donnerstag Inge Rauscher. Aber nur kurz. Die erfahrene Aktivistin, die schon in vielen Bürgerinitiativen tätig war, ist diesmal als Vertreterin des EU-Austritts-Volksbegehrens eingeladen, ihre Positionen vor dem Verfassungsausschuss des Parlaments darzulegen – und wegen des Umfangs des Themas hat man den Plenarsaal des Nationalrats als Ort gewählt.

Experten bereit, Anliegen zu zerpflücken

Auf den Abgeordnetensitzen: die Mitglieder des Verfassungsausschusses, dahinter einige wenige Zuhörer – man hat den Saal schon voller gesehen. Auf der Regierungsbank: Staatssekretärin Sonja Steßl als Vertreterin der Bundesregierung sowie die von den Parlamentariern bestellten Experten.

Und eben Inge Rauscher. Sie lässt das Besucherticket in ihrem weißen Plastiksackerl verschwinden und holt eine vorbereitete Erklärung heraus. Sie darf gleich zu Beginn des Hearings sprechen, zehn Minuten Redezeit sind ihr zugestanden.

Vorwürfe gegen Abgeordnete

Ihre Wortmeldung nutzt sie, um die Parlamentarier ("die sich als Volksvertreter bezeichnenden Abgeordneten") zu schmähen und gleichzeitig zu verlangen, dass sie, die Wutbürgerin, eigentlich mehr Zeit brauche.

Weil die von ihr organisierten EU-Gegner ja das eigentliche Volk seien: "Diese Sitzung soll der gesetzlich vorgeschriebenen Vorberatung der Plenardebatte des gesamten Nationalrats über dieses Volksbegehren dienen, das trotz weitgehenden Medienboykotts von 261.056 ÖsterreicherInnen unterzeichnet wurde. Jedes erfolgreiche Volksbegehren stellt die stärkstmögliche Unterstützung eines Gesetzesantrags in der jeweiligen Sache durch das Volk in direkter Willensbekundung dar, wie ihn kein anderer Gesetzesbeschluss im Nationalrat geltend machen kann."

"Praktisch mundtot"

Die Erklärung, die sie im Sitzen vom Blatt liest, ist gespickt mit Anklagen gegen "die massive Migrationswelle", die erst nach der Eintragungswoche des Volksbegehrens eingesetzt hat, und gegen die parlamentarische Praxis, durch die "über eine Viertelmillion sehr bewusste Österreicher praktisch mundtot gemacht und entmündigt und deren Vertreter zu Statisten degradiert" würden, weil die Behandlung des Volksbegehrens unnötig verschleppt würde.

Vor allem aber geht es – wie schon in der Kampagne vor der Eintragungswoche im Sommer – gegen die EU, die Rauscher eine "immer weniger europäische" Union und eine "Wirtschafts-Nato" nennt.

Da will sie raus.

Blut- und Boden-Ökonomie

Da glaubt sie – unter Berufung auf eine im STANDARD publizierte Imas-Umfrage – 45 Prozent der Bevölkerung hinter sich zu haben. Da bricht es aus ihr heraus: "Bei dieser zutiefst demokratischen Forderung geht es um nichts weniger als um die Wiedergewinnung der Substanz eines freien, selbstständigen und neutralen Österreichs in seiner Gesamtheit. Es geht um die Wiedergewinnung der Identität Österreichs in seinem inneren Zusammenhalt, um die Umkehr von der Rekord-Arbeitslosigkeit und Rekord-Staatsverschuldung durch Wiederaufbau der volkswirtschaftlichen Basis unseres Landes, nämlich der mittelständischen Wirtschaft und der Ernährungssouveränität durch unsere Bauern und damit auch um umwelt- und tiergerechtere Produktionsweisen gegenüber jenen der die EU beherrschenden multinationalen Großkonzerne; um die Abwehr des TTIP-Freihandelsabkommens der EU mit den USA, das bei EU-Austritt eben für Österreich nicht gelten würde."

Aufbruch unter Protest

Aber darüber wolle man ja nicht ernsthaft mir ihr verhandeln, klagt Wutbürgerin Rauscher – und verlässt unter Protest die Regierungsbank und den Plenarsaal.

Das überrascht auch Andreas Schieder – der SPÖ-Klubchef meldet sich zur Tagesordnung zu Wort, man berät kurz, ob man ohne die Proponentin des Volksbegehrens überhaupt sinnvoll weiterverhandeln könne.

"Blanker Unsinn", sagt der Professor

Man kann, heißt es nach kurzer Debatte – schließlich sind fünf hochkarätige Experten geladen, die nun der Reihe nach zu Wort kommen. Stefan Griller von der WU zum Beispiel. Er fasst die Argumente des EU-Austritts-Volksbegehrens in einem Satz zusammen: "Alle angegebenen Gründe sind blanker Unsinn."

Aber natürlich könne man aus der EU auch ohne sinnvolle Begründung austreten. Es wäre halt zum Schaden Österreichs. (Conrad Seidl, 4.12.2015)