In "Kein Stück über Syrien" winden und biegen sich die Schauspieler: Susanne Brandt, Robert Finster. Im Hintergrund: Michaela Bilgeri (links), Alexander Meile.


Foto: Aktionstheater Ensemble

Dornbirn – Hartschalenkoffer oder Rollkoffer? Was würde man für die Flucht nehmen? Ein Gruppe Stadtneurotiker diskutiert das Was-wäre-wenn. Das Aktionstheater Ensemble spielt im Dornbirner Spielboden Kein Stück über Syrien. Beißend ironisch und doch berührend.

Einer trägt Unterwäsche und hält sich wacker auf hohen Hacken, der andere hat Flügel, macht auf Bienchen. Bienen sind ja schließlich auch mal eingewandert. Susanne, die älteste in der Runde, gibt die Businesslady. Michaela lüpft ständig ihre Bluse, ist sehr aufgeregt. "Michaela, erzähl", fordert Susanne. Denn Michaela (Michaela Bilgeri) tut Gutes und spricht darüber. Das gefällt Susanne (Susanne Brandt), die das auch gerne täte.

Fast wäre es passiert, und Michaela hätte keine Geschichten zu erzählen. Denn: "Ich sehe die Bilder vom Westbahnhof und weiß: Da passiert etwas ganz Großes. Aber ich sitz in Vorarlberg." Zurück in Wien, in der Wohnung ganz in der Nähe des Westbahnhofs, tut Michaela, was ihr das Herz befiehlt, holt Flüchtlingsfamilien in ihre Wohnung, kauft Tickets, richtet Jausenpakete her. Sie erzählt, wie schwierig das war mit den unterschiedlichen Klogewohnheiten und Moralvorstellungen. "Großartig Michaela, du warst großartig", wiederholt Susanne immer wieder.

Bilgeri läuft zur Bestform auf, erzählt, kreischt, singt, tanzt und kotzt. Alexander (Alexander Meile) ist etwas neidisch. Er hat das nicht enden wollende Helfen psychisch nicht ausgehalten, war lieber im Backoffice. Robert (Robert Finster), geht alles ziemlich am Arsch vorbei, ihm ist nur eines wichtig: sein Body. Den ihrigen entdeckt auch Susanne wieder. Fühlt, dass sie als ältere Frau nun endlich wieder sichtbar wird. Wahrscheinlich seien das die Blicke der vielen jungen Männer aus Syrien: "Die haben so gar kein Problem mit älteren europäischen Frauen."

Großartig ist nicht nur Michaela. In der Persiflage auf die Willkommenskultur zeigt das Ensemble, dass es zu Recht als schnelle politische Eingreiftruppe geschätzt wird. "Happy to see you, bleibe, reste, stay" singen sie das Willkommenslied aus Cabaret, jenem Musical, das im nationalsozialistischen Deutschland Anfang der 1930er-Jahre spielt. Kongenial die Lifeband Panda Pirate.

Martin Gruber und sein Ensemble zeigen mit Kein Stück über Syrien eine finstere Bestandsaufnahme der Zeitgeschichte, zeigen latente Rassismen und offene Egozentrik. "Wir sind ehrlich" sagt Gruber: "Wir stehen an. Und wir drehen uns im Kreis und reden wieder einmal über uns selbst." (Jutta Berger, 3.12.2015)