Wien – Was kosten Österreich die Flüchtlinge, oder bringen sie dem Land gar wirtschaftliche Vorteile ein? Diese Frage beschäftigt inzwischen auch den sogenannten Fiskalrat intensiv. Der Rat, eine Expertengruppe unter Leitung des Ökonomen Bernhard Felderer, soll die Entwicklung des heimischen Staatshaushalts überwachen und Empfehlungen abgeben.

Am Donnerstag hat Felderer die neueste Einschätzung des Gremiums präsentiert und dabei vor allem mit zwei Botschaften aufhorchen lassen. So werden die Flüchtlinge seiner Einschätzung nach Österreich deutlich mehr Geld kosten als bisher offiziell angenommen. Zugleich erwartet der Ökonom sich von ebendiesen Ausgaben für Asylwerber spürbar positive Auswirkungen für das Wirtschaftswachstum.

1,7 Milliarden im kommenden Jahr

Zu den Details: Im kommenden Jahr rechnet der Fiskalrat mit direkten Flüchtlingskosten in Höhe von 1,7 Milliarden Euro. Eingerechnet sind hier Ausgaben für die Versorgung von Asylwerbern, Aufwendungen der Polizei und des Bundesheeres (Grenzeinsatz) und Ausgaben für die Mindestsicherung. Dagegen bezifferte man die Flüchtlingskosten im Finanzministerium vor wenigen Wochen im Zuge der Budgetpräsentation für das kommende Jahr mit "nur" rund einer Milliarde Euro.

Ein großer Teil der Differenz erklärt sich durch die unterschiedlichen Annahmen bei der sozialen Absicherung. Anerkannte Flüchtlinge, die keine Arbeit finden, haben in Österreich Anspruch auf die bedarfsorientierte Mindestsicherung. Aktuell sind das maximal 827,83 Euro.

Der Fiskalrat rechnet wegen der Mindestsicherung mit Mehrkosten von insgesamt 800 Millionen Euro im kommenden Jahr. Im Finanzministerium sind dagegen laut Budget derzeit maximal 350 Millionen Euro veranschlagt. Die Annahmen beim Thema zeigen allerdings überhaupt deutlich, dass die Politik aktuell nur auf Sicht fahren kann und die Kosten bestenfalls schätzbar sind. So rechnet der Fiskalrat generell mit höheren Pro-Kopf-Kosten bei der Grundversorgung der Flüchtlinge als das Finanzministerium. Andererseits hat das Ministerium schon vorsorglich mit höheren Asylwerberzahlen budgetiert.

Sicher ist auch, dass das Thema Flüchtlinge weiter stark emotionalisiert. Laut Fiskalrat kostet die Flüchtlingskrise jeden Österreicher theoretisch rund 200 Euro. Danach gefragt sagte Felderer, dass die Hilfe für Asylwerber alternativlos sei. Um für Verständnis zu werben, meinte er, dass man die Flüchtlinge ja weder zurückschieben "noch erschießen" könne – was ihm prompt wegen der Wortwahl wütenden Protest bei der Pressekonferenz einbrachte.

Konjunkturprogramm für Österreich

Felderer ist überzeugt, dass die zusätzlichen Ausgaben für die Flüchtlinge als Konjunkturprogramm wirken. Österreich nimmt ja zusätzliches Geld in die Hand, um die Menschen zu versorgen. Davon soll die Wirtschaft profitieren. Felderer erwartet für das kommende Jahr positive Effekte durch die Mehrausgaben und ein zusätzliches Wirtschaftswachstum von 0,2 bis 0,3 Prozentpunkten. Da die Zinsen für die Staatsschulden aktuell auf Rekordtief sind, schlagen sich die zusätzlichen Mehrausgaben vorerst nicht negativ zu Buche, so Felderer.

Ein Vergleich zeigt übrigens, dass die Flüchtlinge nun ohnehin nicht der große Kostenfaktor sind, ganz egal, ob man nun die Zahlen des Fiskalrates oder jene vom Finanzministerium heranzieht. Österreichs Schuldenquote wird laut Fiskalrat im kommenden Jahr bei 84,5 Prozent liegen. Hätte es die Bankenrettungen nie gegeben, würde die Quote bei 74,3 Prozent liegen. Aktuell haben die Banken den Schuldenstand um 35,6 Milliarden Euro erhöht. 20 Milliarden könnte der Staat durch den Verkauf von Bankvermögen noch einnehmen, das aktuell in den Bad Banks gelagert ist. (szi, 3.12.2015)