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Manchmal entladen sich Wut und Frust über Arbeitslosigkeit an Geschäftsstellen des Arbeitsmarkt Service.

Foto: APA / Herbert Neubauer

Wien – Geht es nach dem Sozialministerium, dann explodiert derzeit die Zahl der langzeitarbeitslosen Menschen in Österreich. Als solche definieren die Statistiker Personen, die länger als ein Jahr auf Jobsuche sind. Im November ist ein Plus von über 190 Prozent zum Vorjahr zu verbuchen. Wohlgemerkt: In derselben Zeit ist die Zahl der Arbeitslosen insgesamt "nur" um 5,6 Prozent gestiegen. Woher kommen also plötzlich die ganzen Langzeitarbeitslosen?

Eine neue Auswertung des Arbeitsmarktservice (AMS) zeigt: Sie waren schon immer da. Nur in den offiziellen Statistiken des Ministeriums existierten sie bislang nicht. Dazu ein Beispiel: Vor einem Jahr waren gut 407.000 Menschen ohne Job. Davon waren offiziell lediglich 16.000 Menschen bereits länger als ein Jahr arbeitslos. Mit Ende November 2015 sind jetzt knapp 48.000 Menschen langzeitarbeitslos, der besagte Anstieg von über 190 Prozent. In Wahrheit war die Zahl schon lange deutlich höher.

Weniger Kurse, aber längere Kurse

Dass Personen, die schon länger Probleme damit haben, eine Anstellung zu finden, jetzt nach und nach in der offiziellen Statistik landen, hat einen Grund: Das AMS stellt schon seit einiger Zeit seine Weiterbildungspolitik um. Es werden weniger und dafür längere Schulungen angeboten. Damit reagiert die Institution unter anderem auf die Kritik an sogenannten Sinnlos-Kursen. Wer eine Schulung beim AMS besucht, gilt offiziell nicht mehr als arbeitslos. Ist die Schulung vorbei, ist der Arbeitslose "neu" in der Statistik.

Eine Auswertung des AMS, die Schulungen eben nicht als Unterbrechung wertet, zeigt jetzt das wahre Ausmaß der Langzeitarbeitslosigkeit im Land. 34 Prozent der Arbeitslosen sind seit mehr als einem Jahr auf Jobsuche, das sind 146.100 Menschen. Im November 2009 waren es nur 14,5 Prozent. Die Situation hat sich in den vergangenen Jahren also wenig überraschend massiv verschärft, auch wenn die Ausmaße kleiner sind, als die "Explosion" von 190 Prozent nahelegt.

"Verfestigung"

Besonders von Langzeitarbeitslosigkeit betroffen sind Personen über 45 Jahren, jene, die maximal eine Pflichtschulausbildung vorweisen können, und Menschen mit gesundheitlichen Problemen. AMS-Vorstand Johannes Kopf sieht "eine Verfestigung von Arbeitslosigkeit". Ökonomen warnen seit jeher vor zu lange andauernder Arbeitslosigkeit, die oft dazu führt, dass Menschen schwerer vermittelbar werden.

Im November war die Zahl der Arbeitslosen inklusive Schulungsteilnehmer um 5,6 Prozent höher als im Vorjahr. Der Anstieg fiel etwas niedriger aus als in den Vormonaten. Lichtblick ist für Sozialminister Rudolf Hundstorfer (SPÖ) das Plus bei den beim AMS gemeldeten offenen Stellen um ein Viertel auf über 31.000.

Ost-West-Gefälle

Am heimischen Arbeitsmarkt gibt es weiterhin ein Ost-West-Gefälle. Während die Zahl der Jobsuchenden in Tirol und in Vorarlberg leicht zurückgegangen ist (-1,5 Prozent bzw. -0,4 Prozent), ist sie in Wien im Vergleich zum Vorjahr explodiert (+11,5 Prozent).

Die Zahl der Arbeitslosen steigt im Jahresvergleich in allen Branchen, am stärksten aber im Gesundheits- und Sozialbereich. Bei den Jugendlichen stagniert sie. Besonders stark ist der Anstieg bei Ausländern (+13,9 Prozent, Inländer: +2,5 Prozent). (sat, 2.12.2015)