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Die irische Ryanair hungert nach weiterem Wachstum und stockt ihre Flotte schon einmal kräftig auf.

EPA/ANDY RAIN

Wien – Über den Wolken muss die Freiheit wohl grenzenlos sein: Als Reinhard Mey 1974 der Welt diese Ballade schenkte, war Fliegen einer Elite vorbehalten. Der Flugverkehr über Europa war eine Sache der nationalen Airlines. Mittlerweile herrscht auch am Himmel nicht nur über Wien und Berlin harscher Wettbewerb.

Europas Billigfluglinien, allen voran der 1991 gegründete irische Pionier Ryanair, dicht gefolgt vom britischen Konkurrenten Easyjet, legen seit Jahren rasant zu. Laut der US-Ratingagentur Moody's haben sie ihren Marktanteil in Europa zwischen 2003 und 2014 von 16 auf 41 Prozent mehr als verdoppelt. Die magische Grenze von 50 Prozent ist also in Reichweite. Zumal die Low-Cost-Carrier ihre Geschäftsmodelle geändert haben.

Erweiterer Aktionsradius

Begnügten sie sich einst mit regionalen und weniger großen Flughäfen, erweitern sie stetig ihren Aktionsradius, bauen ihre Flotten und Streckennetze aus. Dass sie noch nicht satt sind, macht Kenny Jacobs, oberster Marketingstratege bei Ryanair, im STANDARD-Gespräch klar. Vor allem Österreich steht auf der Agenda der Iren derzeit weit oben.

"Österreich ist derzeit der kleinste Markt für uns", sagt Jacobs. "Wir würden das gerne ändern." Österreich ist laut Jacobs für Billigflieger ein ziemlich weißer Fleck: "70 Prozent halten die Low-Cost-Carrier in Großbritannien, der Europaschnitt liegt bei 35, und Österreich bringt es auf unter zehn Prozent."

Für Europas größten Billigflieger ist das naturgemäß kein zufriedenstellender Zustand. 105 Millionen Fluggäste wird man heuer transportieren. 135.000 davon in Österreich. Ryanair fliegt Salzburg und Linz an, Klagenfurt wurde 2013 gestrichen. Heimische Ryanair-Liebhaber steigen beim Carrier im bayerischen Memmingen oder in der slowakischen Hauptstadt Bratislava ein. "Von den 1,2 Millionen Passagieren dort sind rund zwölf Prozent Österreicher", sagt Jacobs.

Keine Sonderkonditionen

Wien fehlt aber auf der Landkarte. Noch. Doch auch das würde Ryanair gerne ändern. Ganz einfach wird das laut Flughafen-Vorstandsdirektor Julian Jäger nicht: Die Billig-Airline wolle Sonderkonditionen, die der Flughafen nicht anzubieten bereit sei. Warum Wien, wenn der Markt so klein ist? Das habe mit dem großen Ganzen zu tun, sagt Jacobs. Derzeit habe man 50 Prozent Marktanteil in Europa.

Ryanair will es in den kommenden acht Jahren von derzeit 105 Millionen Fluggästen auf 200 Millionen bringen und auf der Kurzstrecke auf Kundenfang gehen. Eurowings, die neue Billigtochter der Lufthansa, die sowohl dem Lufthansa-Personal als auch Tochter AUA Kopfzerbrechen bereitet, sieht man nicht als ernstzunehmende Konkurrenz. Echte Billigpreise werde Eurowings nicht anbieten, glaubt Jacobs.

Auch wenn Ryanair in den vergangenen zwei Jahren unter anderem mit Businessprodukten (etwa mit Priority Boarding) und Familienangeboten (Babysitz an Bord erlaubt) auf zahlungskräftigeres Publikum abzielt, der Preis bleibe das Hauptargument: "Der Durchschnittspreis von 46 Euro ist bei uns immer noch der gleiche wie vor zwei Jahren. Bei Easyjet liegt er über 80 Euro. Der österreichische Durchschnittspreis für die Europa-Kurzstrecke ist 160 Euro." Dass diese Politik auch Schattenseiten hat, räumt Jacobs aber ein: Vor drei Jahren sei Ryanair so sehr auf die Kosten fokussiert gewesen, dass der Service gelitten habe. Businesskunden hätte das eher abgeschreckt.

Businesskunden ködern

Von den rund 20 Millionen Businesskunden würden erst fünf Prozent die teureren Businessprodukte nutzen. Genau diese Klientel will man auch mit Hauptflughäfen ködern, so Jacobs: "Vor fünf Jahren waren Frankfurt, Berlin, München, Paris und Wien No-go-Areas." Das habe sich geändert. Und da kommt Wien ins Spiel. Wien wäre eine gute Ergänzung zu Bratislava, so wie London-Gatwick für London-Stansted.

Dass Ryanair groß denkt, macht Jacobs auch klar: "Derzeit haben wir 320 Flugzeuge, bis zum März 2016 bekommen wir 40 neue. Die nächsten acht Jahre verdoppeln wir die Flotte." Dann habe man schlagkräftige Argumente für die Österreicher: "Wir können euch eine halbe Million Passagiere bringen." Vom heimischen Markt von 27 Millionen Fluggästen will man 20 bis 25 Prozent. Auch Flughafen-Chef Jäger sieht das Potenzial: "Ryanair ist super in dem, was sie macht, und schafft Nachfrage, wo es bisher keine gab."

Geschäftsmodell Kurzstrecken

Moody's indes warnt, dass Billig-Airlines den Österreichern gefährlich werden könnten. Vor allem Kurzstrecken seien für das Geschäftsmodell von Billigfliegern ideal. Auch die AUA hält sie deswegen für "besonders gefährdet". Im Gegensatz zu Ryanair und Co haben die nationalen Carrier viel höhere Kosten zu schultern. Während die AUA-Mutter Lufthansa mit Piloten und Flugbegleitern über Einschnitte bei Betriebspensionen streitet, sind viele Ryanair-Piloten nicht einmal bei der Airline angestellt. Der Druck könnte aber noch steigen.

Jacobs erwartet dank des niedrigen Ölpreises im kommenden Jahr einen Preiskampf. Viele Strecken wie etwa Köln-Berlin könne man um 9,99 Euro anbieten. "Als wir kamen, haben die Berliner gesagt: Das ist billiger als ein Taxi. Wir lieben solche Preiskämpfe. Die Österreicher wohl weniger."

Weniger Beinfreiheit

Ausdruck des Wettbewerbs ist das gestraffte Platzangebot in immer mehr Flugzeugen. AUA hat vor kurzem bekanntgegeben, dass sie bei den A319 und A320 in der Economy Class den Sitzabstand von 30 auf 29 Inch reduziert. Dazu hat Jacobs eine klare Meinung: "29 Inch sind ausreichend. Wir haben in den meisten Reihen 29,5."

Aber nicht nur AUA zwängt künftig mehr Passagiere in ihre Airbus-Flieger, auch bei Niki und Air Berlin sank der Sitzabstand auf bis zu 28 Inch, das sind 71,1 Zentimeter. Das Minimum ist das aber nicht. Bei Rynair ist es in den Sitzen der letzten Reihen mit 27,5 Inch noch enger. (Regina Bruckner, Claudia Ruff, 1.12.2015)